SRF News: Kanadas Premierminister Justin Trudeau will am Donnerstag an das Gipfeltreffen mit der EU nach Brüssel reisen. Hat er Grund, optimistisch zu sein?
Gerd Braune: Trudeau ist grundsätzlich ein optimistischer Mensch. Solange der Gipfel nicht abgesagt ist, hofft er, dass er doch noch nach Brüssel fliegen wird. EU-Ratspräsident Donald Tusk versicherte ihm am Montagabend ja, dass sich die EU weiter bemühen werde, Wallonien doch noch zur Zustimmung zum Handelsabkommen Ceta zu bewegen. Trudeau ist zwar enttäuscht, hofft aber immer noch, dass der Vertrag zustande kommt. Für ihn kommt es einigermassen überraschend, dass sich Europa nun derart ziert, zu unterschreiben. Trudeau sieht Kanada als wichtigen Partner Europas.
Wie wichtig ist es für Kanada und für den erst seit einem Jahr amtierenden Premier Trudeau, dass Ceta doch noch irgendwie zustande kommt?
Trudeau hat den Vertrag von der konservativen Vorgängerregierung geerbt, handelte mit der EU aber wichtige Änderungen aus. Dies betrifft etwa die Schlichtung zwischen Staaten und Investoren in einem Konfliktfall. Trudeau hat den Kanadiern beim Amtsantritt Arbeitsplätze und Wirtschaftswachstum versprochen. Dazu wäre Ceta ein wichtiges Mittel, denn für Kanada ist Ceta wesentlich bedeutender als für die EU: Die Zölle für den europäischen Markt mit 500 Millionen Einwohnern werden für Kanada, das 35 Millionen Einwohner hat, praktisch alle aufgehoben.
Für Kanada ist Ceta wesentlich bedeutender als für die EU.
Heisst das, dass Trudeau den europäischen Regionen, die gegen das Abkommen sind, Zugeständnisse machen könnte?
Das glaube ich nicht. Selbst die EU hat ja gesagt, dass es sich um ein EU-internes Problem handle. Trotzdem könnte sich Kanada bereit zeigen, die strittigen Punkte noch einmal durchzugehen und zu versuchen, die offenen Fragen im Vertrag rechtlich zu klären. Dazu scheinen derzeit aber beide Seiten nicht bereit zu sein. Von kanadischer Seite her sehe ich deshalb momentan keine Perspektive für weitere Zugeständnisse.
Das Gespräch führte Claudia Weber.