SRF: Soll sich der Westen auf diese iranische Forderung einlassen?
Volker Perthes: Es gibt keinen Grund, warum die Internationale Gemeinschaft ihre Forderungen an Iran aufgeben sollte. Gleichzeitig hat der Westen aber ein Interesse, die Atomverhandlungen mit Iran zu einem positiven Ende zu bringen, weil es dann mehr Möglichkeiten zur Zusammenarbeit im Nahen und mittleren Osten gäbe.
Wie könnte denn eine solche Zusammenarbeit mit Iran aussehen?
Es wird keine amerikanisch-iranische oder europäische-iranische Allianz gegen andere Spieler wie etwa Saudi Arabien geben. Aber die Länder können gemeinsam koordinieren, wie sie das aktuell gegen die IS im Irak machen. Vielleicht könnten sie sogar versuchen, eine ähnliche Lösung für die Regierung in Syrien hinzubekommen wie jetzt für die irakische.
Hat der schiitische Iran überhaupt eine andere Wahl als die sunnitischen Terroristen zu bekämpfen; egal wie der Westen nun auf diese Forderung reagiert?
Iran ist der unmittelbare Nachbar und letztlich auch bedroht von der IS. Die Terrormiliz kommt ja zum Teil schon an die iranischen Grenzen heran. Der IS wird sicher versuchen, sunnitische Minderheiten in Iran zu mobilisieren. Möglicherweise wird er sogar versuchen, auf iranisches Gebiet vorzudringen. Iran fühlt sich bereits bedroht und wird agieren müssen. Iran hat aber die Wahl, wie man reagieren will. Da scheint man sich in Teheran noch nicht ganz einig zu sein. Eine Möglichkeit wäre, international zu kooperieren - auch mit den Amerikanern. Eine weitere Möglichkeit wäre, dass Iran die irakische Regierung stärken würde. Eine dritte Möglichkeit wäre selber Soldaten auf irakisches Gebiet zu schicken.
Seit dem Vorrücken der IS Extremisten hat sich die sogenannte Achse des Bösen im mittleren Osten deutlich verschoben. Der Westen muss also grundsätzlich über die Bücher.
Der Westen war nicht einheitlich der Meinung, dass es eine Achse des Bösen gibt. Das war ein politisch verheerender Ausdruck, der aus Washington kam und ein Konzept war, um einen Dialog zu verhindern. Denn mit dem Bösen redet man nicht. Und plötzlich stellt man fest, dass es noch Bösere gibt, und dass man mit demjenigen, den man als böse bezeichnet, gemeinsame Interessen hat, die noch Böseren aufzuhalten. Wir sollten weniger über Allianzen nachdenken, sondern mit regionalen Partnern darüber reden, was man inklusiv tun kann. Das fängt auf der Ebene von Regierungsführung an und findet zum Teil im Irak statt. Dort reden Iraner, Amerikaner und Europäer mit irakischen Entscheidungsträgern darüber, wie man eine inklusivere Regierungsbildung zusammen bekommen kann.
Interessant ist, dass sich auch Syriens Präsident Assad als Anti-IS-Terrorverbündeter ins Spiel bringt. Macht das Sinn oder ist das ein plumper Trick, um aus der Isolation zu kommen?
Selbstverständlich versucht er, aus der Isolation herauszukommen. Deshalb geht er jetzt auch militärisch gegen den IS vor. Das tat er vorher nicht. Vorher fand er den IS eher nützlich, die moderate Opposition gegen ihn zu binden. Wir sollten zur Kenntnis nehmen, dass es nun auch Auseinandersetzungen zwischen der IS und der syrischen Regierung gibt. Das macht die syrische Regierung aber nicht zu einem Verbündeten der Internationalen Gemeinschaft. Wir sollten uns daran erinnern, dass Assad und sein Regime am Beginn der Schwierigkeiten standen. Ohne seine schlechte Regierungsbildung hätte es nie einen Aufstand in Syrien gegeben.
Die Kurden im Irak und die Regierung in Bagdad bekommen westliche Waffen. Die USA unterstützten die Gegner der Dschihadisten mit Luftschlägen. Ist das auch bald auch das Szenario für Syrien?
Der IS kontrolliert je einen Drittel von Syrien und Irak. Auf der Landkarte gibt es die Staaten Irak und Syrien noch, aber in der Realität sind die Grenzen längst verschwommen. Je mehr das geschieht, desto dringlicher sind eindeutige Massnahmen. Es würde mich nicht wundern, wenn es bald auch amerikanische Luftangriffe auf Stellungen des IS- Staates ausserhalb des irakischen Territoriums gebe.
Das Interview führte Ursula Hürzeler.