Die Identifizierung von vermummten Islamisten ist schwierig. Was sie aber verraten kann, ist ihre Art zu reden, ihre Sprache. Das ist ein Feld für Experten: Sie sind in der Lage, sich nur anhand der Stimme ein Bild über einen Kriminellen oder Terroristen dahinter zu machen.
Denn wie wir uns anhören, das ist unsere akustische DNA – weltweit einzigartig. Sie wird bestimmt durch die Grösse unseres Kehlkopfes, unseren Sprechrhythmus, die Art und Weise zu atmen; aber auch durch die Worte, die wir brauchen und wie wir diese aussprechen.
Täter eingrenzen
Experten wie Herrmann Künzel, Phonetiker an der Universität Marburg, können dadurch erstaunlich viel über den Menschen hinter der Stimme sagen. Etwa, wo er sprachlich geprägt worden ist; also, wo er zur Schule gegangen ist. So könne man etwa über einen Westschweizer, der aber fast perfekt Schweizerdeutsch spreche, sagen, in welchem Kanton er zur Schule gegangen sei. «Dieses Merkmal alleine hat schon in vielen Fällen der Polizei den entscheidenden Hinweis gegeben, um die Täter hinsichtlich ihrer Herkunft einzugrenzen», so Künzel.
Wie gut das funktioniert, zeigte sich, als im August und September Enthauptungsvideos des IS auftauchten. Die Morde wurden mutmasslich von dem vermummten Terroristen verübt, der auch eine Botschaft in die Kamera sprach. Anhand seines Akzents konnten Experten seine Herkunft punktgenau im Osten von London verorten.
Sozialer Hintergrund scheint durch
Die Art und Weise zu sprechen verrät den Experten manchmal auch den sozialen Hintergrund, ja sogar den Beruf eines Kriminellen. Künzel, über Jahre beim deutschen Bundeskriminalamt zuständig für die Sprechererkennung, erinnert sich an einen Fall, in dem ein Täter die Bahn erpresste.
Dessen Jargon und das für die Geldübergabe geforderte Prozedere habe ganz klar gezeigt, dass es sich bei dem Mann um jemanden handelte, der selber bei der Bahn arbeitete. «Und zwar nicht die Tickets am Schalter verkauft, sondern einen von der Technik.»
Keine Rückschlüsse vom Reden aufs Aussehen
An Grenzen stossen die Experten dort, wo sie Rückschlüsse vom Reden auf das Aussehen machen sollen, etwa von vermummten Islamisten. Womöglich gebe es tatsächlich einen Zusammenhang zwischen dem Reden und dem Aussehen eines Menschen, sagt Volker Dellwo, Phonetiker an der Universität Zürich. Nutzen lasse sich das in der Praxis aber noch nicht. Zwar könne man versuchen ein Aussehen abzuschätzen. Doch: «Man ist noch nicht soweit, dass man aufgrund der Stimme eine Art Phantombild zeichnen könnte.»
Experten nur schwer zu täuschen
Auch dass Islamisten in ihren Videos bewusst ihre Stimme verstellen, erschwert die Arbeit der Experten. Allerdings sei es schwierig, einen Phonetiker zu täuschen, sagt der Marburger Künzel. Er kenne viele Fälle, in denen ein Täter versucht habe, seine Stimme zu verstellen. Doch ein Experte erkenne den ursprünglichen Dialekt dennoch. Es gebe «kaum Verstellungen, die einem Sachverständigen das Leben so schwer machen, dass er zu keiner vernünftigen Aussage mehr kommen kann». Allerdings sage er nicht, welche Stimm-Verstellungen dies seien.