Die Frage wird für die deutsche Bundeskanzlerin unangenehm. Beim ersten Besuch von Griechenlands Premier Alexis Tsipras bei Angela Merkel in Berlin dürfte auch die dunkle Vergangenheit der Nationalsozialisten zum Thema werden. Es gab Massaker der SS, zum Beispiel 1944 im Ort Distomo – und Tausende jüdische Opfer. Seit den 1990er Jahren verweist Athen immer wieder darauf, dass noch historische Rechnungen offen sind. Ein berechtigtes Anliegen?
Argumente für die Reparationszahlungen
Es fehlt bisher ein Friedensvertrag, der das Thema Reparationen abschliessend regelt. Im Londoner Schuldenabkommen war 1953 eine Vertagung der Frage bis zu einem Friedensvertrag beschlossen worden. Im 2+4-Vertrag (BRD, DDR - Sowjetunion, USA, Grossbritannien, Frankreich) wurde 1990 dann zwar «die abschliessende Regelung in Bezug auf Deutschland» vereinbart. Es war aber eben kein Friedensvertrag in dem Sinne, dass auch die Reparationsfrage mit den rund 60 Kriegsgegnern gelöst wurde.
Griechenland hat nicht auf seine Ansprüche auf Entschädigungen und Reparationen für während des Zweiten Weltkriegs erlittene Schäden verzichtet.
Stattdessen wurde das Thema Reparationen für abgeschlossen erklärt. Im November 1990 wurde auch von Griechenland in der KSZE-Charta von Paris der 2+4-Vertrag mit «grosser Genugtuung» zur Kenntnis genommen – aber völkerrechtlich bindend ist das nicht. 1995 betonte Athen in einer Notiz an das Auswärtige Amt: «Griechenland hat nicht auf seine Ansprüche auf Entschädigungen und Reparationen für während des Zweiten Weltkriegs erlittene Schäden verzichtet.» Die Ansprüche gegen Italien seien schon 1947 durch einen Friedensvertrag geregelt worden. «Die Ansprüche gegen Deutschland sind jedoch offen geblieben.»
Zudem gibt es den Streit um einen von der deutschen Besatzungsmacht aufgezwungenen Kredit – zusammen mit Besatzungskosten summierte sich der Betrag bis Kriegsende angeblich auf 476 Millionen Reichsmark. Der Historiker Hans-Günter Hockerts sieht hier die grössten Chancen auf Entschädigungsansprüche. Athen will hierfür elf Milliarden Euro.
Argumente gegen die Reparationszahlungen
In Sachen Anleihe und Besatzungskosten ist schon die Summe von 476 Millionen Reichsmark sehr umstritten. Ebenso, ob Besatzungskosten überhaupt zurückgezahlt werden müssen und ob die Zwangsanleihe eine Reparationsforderung oder aber einen Kredit darstellt. Völkerrechtler raten hier zu einer Klärung durch den Internationalen Gerichtshof.
Die Bundesregierung verneint kategorisch alle Ansprüche, sie fürchtet wohl eine Welle von Forderungen anderer Staaten. Zudem wurden nach der Vertagung im Londoner Schuldenabkommen von 1953 bilaterale Entschädigungsabkommen geschlossen.
Griechenland erhielt 1960 115 Millionen D-Mark, dabei ging es aber nicht um Kriegsreparationen, sondern um die Entschädigung von Opfern. Und über die Stiftung «Erinnerung, Verantwortung und Zukunft» erhielten laut Hockerts 2000 ehemalige griechische Zwangsarbeiter eine Zahlung.
Juristen meinen, Griechenland hätte zur Wahrung seiner Erfolgschancen den Protest nicht erst 1995, sondern unmittelbar 1990 geltend machen müssen, als der 2+4-Vertrag geschlossen wurde. Ferner hat Athen 1953 und 1960 eigentlich anerkannt, dass neue Reparationsforderungen nur aktuell werden können bei einer multilateral gebündelten Abschlussregelung. «Eine solche gab es aber nicht und wird es auch nicht geben», betont der Historiker Hockerts.
Das ist ausgestanden. Es gibt keinen Anspruch.
Zudem ist unklar, wie die Höhe von Reparationen zu bemessen wäre. Unter dem Strich gibt es also viele Fragezeichen – und damit sehr ungewisse Erfolgsaussichten. «Das ist ausgestanden. Es gibt keinen Anspruch. Die Griechen sollen sich mal mit ihrer Hausaufgabe beschäftigen und nicht immer woanders Schuldige suchen», meint Unions-Fraktionschef Volker Kauder.
Eine gemeinsame Stiftung als Ausweg?
Es gibt angesichts der Historie auch andere, nachdenklichere Töne. Eine Befriedung könnte etwa eine Stärkung des deutsch-griechischen Zukunftsfonds bringen, der zur Aufarbeitung der Kriegsereignisse bisher nur mit einer Million Euro im Jahr ausgestattet ist.
Oder die Gründung einer gemeinsamen Stiftung. So würde Berlin am Ende keine Ansprüche anerkennen, aber ein Zeichen setzen. «Unabhängig, wie man das rechtlich beurteilt, haben wir immer eine Verantwortung für die schweren Verbrechen der nationalsozialistischen Besatzungsmacht in Griechenland», meint der SPD-Fraktionsvorsitzende Thomas Oppermann.