SRF News: Sie sagen, Deutschlands Kanzlerin Angela Merkel sei nach den Landtagswahlen in drei Bundesländern vom Sonntag nicht geschwächt. Wie kommen sie zu der Aussage?
Heribert Prantl: Klar, der Tag war ein Desaster für die CDU. Doch gilt es, die Ergebnisse ein bisschen genauer anzuschauen: Zwei Kandidaten, die sich im Wahlkampf stark an Merkel anlehnten, sind Ministerpräsident geblieben: Sowohl Winfried Kretschmann (Grüne) in Baden-Württemberg als auch Malu Dreyer (SPD) in Rheinland-Pfalz setzten auf die Politik der Kanzlerin und gewannen mit dieser Strategie. Bei aller Unterschiedlichkeit der Ergebnisse zeigen die Wahlen eines ganz deutlich: Sie leben von der Integrität und vom Ansehen einer Person, es sind Persönlichkeitswahlen.
Ist Merkel auch intern nicht geschwächt?
Es gibt keine Konkurrenz für Merkel.
Bei aller Kritik, die es an der Kanzlerin und an ihrer Flüchtlingspolitik geben kann, ist sie nach wie vor die ziemlich unumstrittene Führerin ihrer Partei, der CDU. Es gibt keine Konkurrenz. Deswegen sind alle Gerüchte und Debatten, ob Merkel abgelöst werden könnte, derzeit nicht einmal wirklich Spekulation.
Merkel muss an ihrer Flüchtlingspolitik also nichts ändern?
Das wird heftig debattiert werden. Sie hat ja schon Änderungen vorgenommen. Es ist nicht so, dass hier das Wort «Willkommenspolitik» wirklich gelten würde. Seit vergangenem September hat sich in der deutschen Flüchtlings- und Asylpolitik unendlich viel getan. Es wurden die schärfsten Asylgesetze seit 25 Jahren über die Bühne gebracht. Übrig bleibt das Plakatieren des Satzes «Wir schliessen unsere Grenzen nicht!».
Merkel versucht, eine ehrliche Politik zu machen, die nicht auf die Schnelle billige Erfolge verkündet.
Mit anderen Worten, Merkel gibt dem Druck der anderen Staaten nicht nach und will keine Obergrenzen einführen.
Ja. Dies würde letztlich auch wenig an den Problemen ändern. Merkel versucht, eine ehrliche Politik zu machen, die nicht auf die Schnelle billige Erfolge verkündet, um die abspenstigen Wähler wieder zurückzuholen. Sie setzt darauf, dass ihre Haltung mittel- und langfristig Erfolg haben wird. Die nächsten Landtagswahlen sind erst im September, die Bundestagswahlen in eineinhalb Jahren. Merkel hofft, die Flüchtlingsprobleme mit ihrer Politik bis da im Griff zu haben. Ganz ausgeschlossen ist das nicht.
Merkel hat mit ihrer Flüchtlingspolitik auch in der eigenen Partei wenig Rückhalt. Muss sie mit ihren Kollegen der CDU deshalb über die Bücher gehen?
Es waren Kandidaten anderer Parteien, die mit Merkels Flüchtlingspolitik in den Wahlkampf gingen und gewannen.
Man wird intern sicher über die Bücher gehen. Doch werden ihre Anhänger und die Kanzlerin selber darauf verweisen, dass ihre internen Kritiker – Guido Wolf in Baden-Württemberg und Julia Klöckner in Rheinland-Pfalz – herbe Misserfolge hatten. Es waren wie gesagt die Kandidaten der anderen Parteien – Kretschmann und Dreyer –, die mit Merkels Flüchtlingspolitik in den Wahlkampf gingen und Erfolg hatten. Die grosse Abrechnung werden ihre internen Gegner deshalb nicht starten können.
Werden die Fakten Merkel und ihrer Regierung Recht geben?
Das ist die Hoffnung, welche die Kanzlerin hat. Sie ist nicht unberechtigt. Es wird sich zeigen, was die AfD tatsächlich an Politik macht. Die demokratischen Parteien hoffen, dass sich die Partei sehr bald zerlegen wird.
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Was macht Sie so zuversichtlich?
Die Erfahrungen mit anderen rechtspopulistischen und rechtsaussen Parteien in den Parlamenten. Das hat oft kein Jahr gedauert, bis kein Stein mehr auf dem anderen blieb. Mit Blick auf Merkel stimmt mich ihr Realismus zuversichtlich, den sie in ihrer Politik zeigt. Und die Tatsache, dass sie nicht populistisch agiert. Das ist eine Erwartung, die der Wähler üblicherweise stellt. Es kann gut sein, dass sich diese Haltung und Ehrlichkeit durchsetzt.
Macht es für Merkel und die CDU einen Unterschied, ob sie die Flüchtlingskrise lösen können oder nicht?
Ich denke, dass es bereits reichen würde, wenn sie weniger akut wäre. Der Druck auf die CDU würde sinken und der Hype, den die AfD veranstalten kann, würde ruhiger. Eine erfolgreiche Politikerin, die an ihren alten Ruf und Ruhm anknüpft wird Merkel dann sein, wenn sie tatsächlich eine europäische Lösung hinbekommt.
Das Gespräch führte Philippe Chapuis.