Die Welt-Anti-Doping-Agentur Wada wirft dem Leichtathletik-Weltverband IAAF ein komplettes Versagen im Kampf gegen Doping und Korruption vor. Hauptverantwortlicher für die «Organisation und Ermöglichung der Verschwörung» sei der frühere IAAF-Präsident Lamine Diack, geht aus einem neuen Bericht der unabhängigen Wada-Kommission hervor.
Gemäss den jüngsten Äusserungen der Wada-Kommission war die Korruption beim IAAF tief verankert – es könnten keine Einzeltäter am Werk gewesen sein.
Neuer Präsident will nichts gewusst haben
Die Korruption in der IAAF gehe über «eine kleine Anzahl von Schurken» hinaus, heisst es in dem 89 Seiten langen Wada-Report. Zudem gibt es Hinweise, dass die IAAF bereits seit 2009 vom systematischen Doping in Russland gewusst hat, aber Anschuldigungen, eine grosse Zahl von auffälligen Blutproben verheimlicht und nicht sanktioniert hat.
Sowohl Sebastian Coe, der seit August 2015 als IAAF-Boss fungiert, als auch der deutsche Funktionär Helmut Digel und das IOC-Mitglied Sergej Bubka waren viele Jahre in der Diack-Ära Vizepräsidenten. Der Brite Coe beteuerte gegenüber dem amerikanischen TV-Sender CNN erneut, dass die IAAF nichts vertuscht hätte. Er selbst habe wegen seines Jobs als Organisationschef der London-Spiele nicht alles wissen können, was in der IAAF gelaufen ist, rechtfertigte sich der zweifache britische Olympiasieger über 1500 Meter.
Der Weltverband IAAF ist in Misskredit geraten, weil der frühere Präsident Diack von der französischen Justiz wegen der Vertuschung von Dopingfällen gegen Bezahlung angeklagt worden ist. Damit soll er ermöglicht haben, dass russische Athleten trotz positiver Dopingtests und auffälliger Blutwerte bei den Olympischen Spielen 2012 und bei den Weltmeisterschaften 2013 teilnehmen konnten.
Korruption auch bei Vergabe von Olympischen Spiele?
Es gebe Gründe zu der Annahme, dass hochrangige IAAF-Offizielle von Entscheidungen profitiert haben, Weltmeisterschaften an bestimmte Städte oder Länder zu vergeben, heisst im Wada-Bericht weiter.
Die Korruption habe auch Olympische Spiele betroffen: Aus Mitschriften gehe hervor, dass die Türkei die Unterstützung von Lamine Diack im Bewerbungsprozess um die Olympischen Spiele 2020 verloren habe. Die Türkei sei nicht bereit gewesen, einen entsprechenden Sponsorenbetrag «von 4 bis 5 Millionen Dollar» für die Diamond League oder die IAAF zu überweisen.
Japan habe diese Summe laut Gesprächsprotokoll dann gezahlt – Tokio erhielt den Zuschlag für die Sommerspiele 2020.
Interpol fahndet nach Diacks Sohn
Im Leichtathletik-Korruptionsskandal sucht Interpol mit einem internationalen Haftbefehl nach dem Sohn des ehemaligen Präsidenten Diack, Papa Massata Diack. Dem ehemaligen Marketing-Berater des IAAF wird in der sogenannten «Red Notice» der internationale Polizeiorganisation Beihilfe zur Bestechlichkeit, Bestechung und Geldwäsche vorgeworfen.
Dopingfall Russland
Laut Informationen der Presseagentur AP soll Massata Diack bei einem Treffen in Moskau vor den Spielen in London 2012 mit dem früheren IAAF-Schatzmeister Walentin Balachnitschew teilgenommen haben. Dabei seien TV-Rechte an der WM 2013 in Moskau von sechs Millionen Dollar ausgehandelt worden. Der Sohn des früheren IAAF-Präsidenten sei ausserdem mit einem mit 25 Millionen Dollar dotierten Sponsorenvertrag von einer führenden russischen Bank zurückgekehrt.
Die Ethikkommission des Verbandes sperrte in der vergangenen Woche Massata Diack, Walentin Balachnitschew sowie den ehemaligen russischen Cheftrainer Alexej Melnikow lebenslang. Gabriel Dollé, ehemaliger Leiter der Anti-Doping-Abteilung der IAAF, wurde für fünf Jahre gesperrt.