- Die Europäische Zentralbank will bis Ende September 2016 monatlich für 60 Milliarden Euro Staatsanleihen und andere Wertpapiere aus den Euro-Ländern aufkaufen.
- Das Kaufvolumen dürfte somit bis zu 1140 Milliarden erreichen.
- Die Staatsanleihekäufe werden nach dem Anteil der Mitgliedsländer der Eurozone am Kapital der Notenbank auf die einzelnen Länder verteilt.
- Mit der Massnahme will die EZB will die europäische Wirtschaft ankurbeln – der Euro wird damit letztlich weiter geschwächt.
- Zudem wurde bekannt: Die EZB belässt den Leitzins im Euroraum auf dem Rekordtief von 0,05 Prozent.
- Eine Zusammenfassung des SNB-Entscheids finden Sie hier.
Nun zückt Mario Draghi seine letzte Karte: Mit milliardenschweren Anleihekäufen wollen er und seine Währungshüter in der Dauerkrise im Euroraum das Ruder herumreissen.
Mit dem Entscheid begibt sich die EZB auf riskantes Terrain. Und nach Nullzinsen, Strafzinsen und einer Flug von billigen Notkrediten bleiben Zweifel, ob Draghis Plan diesmal aufgehen wird.
Notenbank unter Zugzwang
Den erneuten Notfalleinsatz der Zentralbank haben die Anleger an den Finanzmärkten längst vorweggenommen. EZB-Präsident Draghi selbst hatte die Erwartungen angeheizt. Zudem: Er hatte den Rat der Notenbank unter Zugzwang gesetzt. Plötzlich hatte die EZB das Ziel ihre Bilanz extrem aufzublähen – obwohl das später nur noch «Absicht» und nicht «Ziel» heissen durfte.
Experten jedenfalls war schnell klar: Das geht nur, wenn die Notenbank bei Staatsanleihen zugreift. EZB-Daten zufolge waren zuletzt staatliche Schuldscheine im Gesamtwert von rund 6,5 Billionen Euro im Umlauf, die den Anforderungen der Notenbank gerecht werden. Dazu zählen die Währungshüter auch griechische Anleihen. Bedingung: Das Land, das am Sonntag erneut sein Parlament wählt, unter Aufsicht der internationalen Geldgeber bleibt.
Konsum anschieben
Draghi räumte ein, dass es bis zuletzt Widerstände im EZB-Rat gab. Allerdings sei das 25-köpfige Gremium einstimmig der Meinung, «dass es sich bei den Wertpapierkäufen um ein gewöhnliches Instrument der Geldpolitik handelt».
Das frische Geld kommt im Idealfall über die Banken, denen die Zentralbank Anleihen abkauft, in Form von Krediten bei Unternehmen und Konsumenten an. So könnte es Konsum und Investitionen anschieben und so die Konjunktur in Schwung bringen.
Konsumenten auf der Verliererseite
Funktioniert das wie erwartet, würde das auch die zuletzt extrem niedrige Inflation im Euroraum wieder in Richtung des EZB-Ziel von knapp unter 2,0 Prozent befördern. Damit würden Sorgen vor einem gefährlichen Preisverfall auf breiter Front – also einer Deflation – vorerst beendet. Allerdings ist umstritten, dass Anleihenkäufe das gewünschte Ziel erreichen.
Verlierer sind allerdings die Konsumenten, welche die jüngste Anti-Krisen-Massnahme der EZB spätestens bei den nächsten Ferien ausserhalb des Euroraums spüren dürften: Die Abwertung des Euro wird nach Einschätzung vieler Experten nun noch an Fahrt gewinnen. Das verteuert Reisen zum Beispiel nach Grossbritannien, in die Schweiz oder in die USA.
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Auf der anderen Seite hilft der vergleichsweise günstige Euro Exporteuren, ihre Waren ausserhalb des Währungsraums zu verkaufen. Das könnte der Konjunktur insgesamt Schwung verleihen. Und auch die Finanzminister – nicht nur der Krisenstaaten – dürfen sich einmal mehr beim Italiener Draghi für eine ultralockere Geldpolitik bedanken, dank der sie günstiger neue Schulden aufnehmen können.
Stunde der Skeptiker
Angesichts dieser Gemengelage bleiben Kritiker skeptisch. «Die Wachstumsschwäche im Euroraum ist nicht dadurch bedingt, dass Banken zu wenig Kredite vergeben. Sie ist verursacht durch strukturelle Probleme. Die Geldpolitik hat hier nur ganz begrenzte Möglichkeiten», sagte der Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes deutscher Banken (BdB), Michael Kemmer, vor der EZB-Entscheidung.
Kritiker sind der Meinung, dass das viele Zentralbankgeld nicht bei Kreditnehmern ankommen, sondern in Aktien oder Immobilien gesteckt werden wird. Das könnte zu neuen Preisblasen führen. Zudem wird befürchtet, dass die EZB den Reformeifer in Krisenländern bremst, wenn sie den Staaten in grossem Stil Schuldscheine abkauft – und damit deren Kosten zur Aufnahme neuer Schulden drückt.
Die Erfahrungen der Notenbanken mit Anleihenkäufen sind höchst gegensätzlich: Während das Programm in Japan versandete und gar politische Reformen ausbremste, erzielten Anleihenkäufe in den USA die erhoffte Wirkung: Die US-Wirtschaft nimmt wieder Fahrt auf. Allerdings finanzieren sich Unternehmen dort häufig direkt am Markt über eigene Anleihen, während sie sich in Europa vor allem bei Banken Geld besorgen.