Die Kosovaren feiern am Sonntag zum fünften Mal ihren Unabhängigkeitstag. Das noch junge Land steckt in vielerlei Hinsicht noch immer in den Kinderschuhen.
So gehört Kosovo, wirtschaftlich gesehen, weiterhin zum Armenhaus Europas. Das Handelsdefizit liegt bei 2,2 Milliarden Euro. Die Unterstützung der EU, aber auch anderen Staaten wie der Schweiz und den USA ist gross.
«Derzeit verfügt Kosovo über ein Budget, um seine Institutionen zu verwalten», sagt der kosovarische Botschafter in Bern, Naim Malaj, zu SRF News Online. Die Schweizer Hilfe für Kosovo in Form von verschiedenen Programmen und Projekten trage zur Verbesserung des Lebensstandards bei.
Starke Diaspora
Kosovos Einfuhren sind enorm. Und so kommt es, dass jeder Franken oder Euro, der aus dem Ausland kommt, auch wieder ins Ausland zurückfliesst.
Dies hat einmal historischen Gründe: Innerhalb Jugoslawiens war Kosovo die ärmste Region. Auf der anderen Seite führte eine verfehlte Wirtschafts- und Strukturpolitik seit der Ära Tito zu solch desolaten Startbedingungen für das junge Land.
Der Wiederaufbau erfolgte direkt nach dem Kosovokrieg, als rund 2 Milliarden Euro Hilfsgelder gesprochen wurden. Mittlerweile ist auch die Unterstützung der im Ausland lebenden Kosovaren nicht zu unterschätzen. «Die kosovarische Diaspora spielte bereits in den 1980er- und 1990er-Jahren eine wichtige Rolle», erklärt Malaj weiter. Es sei somit logisch, dass die im Ausland lebenden Mitbürger weiterhin Kosovo unterstützen. Schätzungen zufolge werden jedes Jahr bis zu 500 Millionen Euro von Ausland-Kosovaren in die Heimat überwiesen.
Doch das Wirtschaftswachstum Kosovos ist zu schwach. Allein um die jährlich bis zu 35‘000 Schulabgänger auffangen zu können, müsste das Wachstum nicht wie bei jetzt vier, sondern eher bei acht Prozent liegen. Die Weltbank rechnete sogar aus, dass ein Wachstum von zehn Prozent nötig wäre, um den Nachbarn Albanien einholen zu können.
Korruption ein Problem
Ein Hoffnungsschimmer ist die jugendliche Bevölkerung. Schätzungen zufolge sind 50 Prozent der Bevölkerung unter 30 Jahre alt. Dies verschaffe dem Land eine sonst in Europa seltene Aufbruchstimmung.
Hinzu kommt, dass zahlreiche Ausland-Kosovaren in die Heimat zurückkehren. Sie profitieren zum Teil von einer guten Ausbildung, welche sie im Ausland genossen haben, und nehmen so an der wirtschaftlichen Entwicklung Kosovos teil. Dennoch: die Jugendarbeitslosigkeit ist sehr hoch.
Vorerst locken Jobs in Politik und Verwaltung. An der Universität in Pristina boomen die Studiengänge Politologie und Jura. Die zahlreichen jugendlichen Studienabgänger hoffen, so Karriere im eigenen Land zu machen.
In der Verwaltung lauert aber eine weitere Gefahr: die Korruption. Der vor fünf Jahren erhoffte Investitionsboom ist ausgeblieben. So bremsen Korruption und fehlende Rechtssicherheit die Entwicklung des Landes.
Die Korruption sei aber nicht nur ein Problem Kosovos, gibt Malaj zu bedenken. Sie müsse in der ganzen Region mit allen Mitteln bekämpft werden.
Brüssel verlangt Einigung
Bleibt noch die Problematik im Nordkosovo. Der Streit zwischen Serbien – das Kosovo als souveränen Staat nicht anerkennt – und Kosovo ist weiterhin latent. Serben blockieren Strassen und verwehren Zöllnern Kosovos den Zutritt zur Grenze. Schmuggel und Schwarzmarkt florieren.
Im Norden des Landes, wo rund 40‘000 Serben die lokale Mehrheit bilden, hat Pristina nichts zu sagen. Serbien unterhält hier eigene staatliche Institutionen, und Belgrad sponsert seine Landsleute mit bis zu 300 Millionen Euro im Jahr.
Genau dort setzt die Mehrheit der EU-Staaten den Hebel an. Serbien müsse aufhören, in Nordkosovo Einfluss zu nehmen, lautet die Forderung aus Brüssel. Nur dann dürfe Belgrad – aber auch Pristina – auf den EU-Beitritt hoffen.
«Der einzige Weg, um den Streit zwischen Serbien und Kosovo niederzulegen, ist der Dialog», sagt Botschafter Malaj zu SRF News online. Und ergänzt: Gespräche der beiden Staaten in der letzten Zeit hätten gezeigt, dass Veränderung möglich sei.