Eigentlich sind die Verhältnisse klar: Hier die grosse Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG), die 209'000 Mitglieder zählt. Auf der anderen Seite die sechsmal kleinere Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer (GDL). Trotzdem vermag es der GDL-Chef Claus Weselsky fast das ganze deutsche Eisenbahnnetz lahm zu legen.
Der Grund sind die Lokomotivführer. Die GDL vertritt über 80 Prozent des Berufsstandes und besitzt damit über eine grosse Schlagkraft. Die Lokomotivführer, die sich am Streik beteiligen, lassen sich nicht ersetzen; die Züge stehen still. Zwar versuchen die restlichen 20 Prozent der Lokomotivführer, die nicht vertreten werden, den Bahnverkehr zu stemmen. Aber die Streikauswirkungen sind verheerend. Vor allem im Osten Deutschlands. Hier vertritt die streikführende Gewerkschaft bis zu 85 Prozent der Lokomotivführer. Im Süden sind es 60 Prozent.
Zentrales Motiv des Streiks ist die Forderung um eine 5-%-Lohnerhöhung. Die Deutsche Bahn (DB) weigert sich aber dem GDL entgegen zu kommen. Gemäss SRF-Korrespondent Adrian Arnold hat die GDL mit ihrer jüngsten Forderung und dem viertägigen Streik die Sympathien in der Bevölkerung verloren. In den sozialen Medien wird Weselsky zum Teil massiv verleumdet.
Und als wäre das nicht genug, wird der GDL-Chef auch in den Medien hart angegriffen. Der «Spiegel» nennt ihn «unbeugsam, unkorrumpierbar, unbelehrbar». Den 55-Jährigen ficht so etwas nicht an. Er beruft sich auf das «grundsätzlich verbriefte Recht» des GDL zu streiken.
Über seine persönlichen Motive lässt sich nur spekulieren. Der zweimal verheiratete Schlosser ist in der ehemaligen DDR aufgewachsen und hat sich nach der Wende als Funktionär hochgearbeitet. Pikant an der aktuellen Eskalation ist, dass Weselsky vor einiger Zeit den lukrativen Posten des Personalvorstands bei der Deutschen Bahn angeboten bekam. Diesen Job hat er aber abgewiesen.
SRF-Korrespondent Adrian Arnold sieht in Claus Weselsky einen unnachgiebigen Verhandlungspartner. Er weist in diesem Zusammenhang darauf hin, dass nach seiner Einschätzung der GDL-Chef nur dann auf eine Verlängerung des Streiks verzichten wird, wenn der Druck innerhalb der Lokomotivführer zunimmt.