Mindestens 398 Menschen kamen bei den Erdstössen in der südwestlichen Provinz Yunnan am Sonntag ums Leben, etwa 1800 wurden verletzt. Dies berichtete das Staatsfernsehen am Montag unter Berufung auf Rettungskräfte. Das Beben hatte etliche Orte von der Aussenwelt abgeschnitten.
SRF-China-Korrespondent Urs Morf hat nicht den Eindruck, dass die Rettungsarbeiten stocken – im Gegenteil: Als das Erdbeben bekannte wurde, habe die Zentralregierung innerhalb weniger Minuten erste Befehle erlassen. «Sie schickten Soldaten los, die den lokalen Rettungskräften zur Hand gehen sollten.» Flugzeuge mit Hilfsgütern seien sofort ins Erdbebengebiet entsandt worden. Für Erdbeben-Katastrophen scheine die chinesische Regierung gut vorbereitet zu sein, meint der Beobachter vor Ort.
Das Zentrum des Bebens mit einer Stärke von 6,5 lag in zwölf Kilometern Tiefe unter dem Ort Longtoushan in der Gemeinde Ludian, rund 370 Kilometer nordöstlich der Provinzhauptstadt Kunming. Anschliessend registrierte Chinas Erdbebenwarte Hunderte von Nachbeben.
Pfusch am Bau?
Fernsehbilder zeigten gewaltige Zerstörungen. Häuser waren nur noch Schrotthaufen. Auch auf den Bildern von Internetnutzern, die Szenen aus dem Erdbebengebiet zeigen sollen, war die grosse Zerstörung gut sichtbar. Einige User klagten, die gewaltige Zerstörung sei ein Zeichen, dass beim Bauen gepfuscht wurde. Anderenfalls hätten die Gebäude aus Beton den Erschütterungen besser standgehalten.
Diese Vorwürfe seien nicht grundlos, sagt Morf: «Es ist leider so, dass in China Baupfusch an der Tagesordnung ist. Das geht Hand in Hand mit der Korruption.» Es werde zum Beispiel oft am Stahl gespart, oder eine billigere Sorte Zement verwendet, um sich selbst mehr Geld in die eigene Tasche stecken zu können, sagt der Korrespondent. Aber um diesen Verdacht bestätigen zu können, brauche es zuerst Untersuchungen und Beweise.
Trauer und Beklemmung
Das chinesische Volk reagierte auf die Katastrophe nicht nur mit Trauer, sondern auch mit Beklemmung, sagt Morf: «Für viele Chinesen ist dieses Erdbeben nur ein weiterer Höhepunkt in einer Kette von Katastrophen, die China heimzusuchen scheint.»
Laut Morf stand am Anfang des Jahres und der Unglücksserie der Terroranschlag auf den Bahnhof in Kunming und dann das Verschwinden des malaysischen Flugzeugs MH370, dessen Passagiere grösstenteils Chinesen waren.
Auch vor diesem Erdbeben sei Ostchina bereits von einem Unglück heimgesucht worden, sagt der Korrespondent. In Ostchina explodierte eine Fabrik und riss mindestens 75 Menschen in den Tod. Die Chinesen würden schon fast dazu neigen abergläubisch zu werden: «Sie sagen, die Unglücke könnten damit zusammenhängen, dass auf diesem Jahr des Holzpferdes ein Fluch liegt.»