In der Flüchtlingskrise wollen die Türkei und Europa zusammenarbeiten. Doch beim Umgang mit dem Konflikt in Syrien offenbaren sich Differenzen, wie ein gemeinsamer Auftritt des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan mit EU-Ratspräsident Donald Tusk gezeigt hat.
Es sei «traurig zu sehen», dass einige Staaten die kurdische Arbeiterpartei PKK in der Praxis nicht als Terrororganisation behandelten, sagte Erdogan bei seinem Besuch in Brüssel. Er setzte kurdische Kämpfer und Verbände mit der Terrormiliz «Islamischer Staat» (IS) gleich. Der Kampf der Kurden gegen den IS dürfe der kurdischen Organisation keinen «Mantel der Legitimität» verleihen.
Einigkeit gegen IS
Tusk hatte zuvor angemerkt: «Wir sind uns einig im Kampf gegen den IS.» Ankaras Vorgehen gegen die PKK werde aber in einigen europäischen Hauptstädten kritisch gesehen. Es gebe die Befürchtung, die Regierung könne den Kampf gegen den IS gegen die Kurden missbrauchen.
Doch die Europäische Union braucht die TürkeI: «Die EU will, dass die Türkei dafür sorgt, dass weniger Flüchtlinge nach Europa kommen. Und die EU weiss, dass sie Erdogan im Gegenzug etwas bieten muss», sagt SRF-Korrespondent Sebastian Ramspeck in Brüssel. Was genau das sein könne, darüber müssten innerhalb der Union erst einmal Gespräche geführt werden müssen.
Erdogan will Flugverbotszone
Tusk kritisierte zudem die russischen Bombenangriffe in Syrien scharf. «Wir waren uns einig, dass die Lösung nicht dadurch herbeigeführt werden kann, indem Russland, in Allianz mit (Syriens) Präsident Assad legitime Oppositionskräfte bombardiert.»
Der EU-Ratspräsident und sein türkischer Gast sprachen in Brüssel auch über die Forderung der Türkei nach einer Sicherheitszone für Flüchtlinge im Norden Syriens.
Erdogan sagte dazu, abgesehen von der Sicherheitszone müsse auch eine Flugverbotszone durchgesetzt werden. Westliche Vertreter sehen die Schaffung einer Flugverbotszone mit Skepsis. Russland lehnt eine solche strikt ab.
Türkisch-europäischer Aktionsplan
Zum Umgang mit der Flüchtlingskrise sagte Tusk, die EU müsse ihre Aussengrenzen besser schützen. «Wir erwarten von der Türkei das Gleiche.» Erdogan wies darauf hin, dass die Türkei seit nunmehr vier Jahren Flüchtlinge des syrischen Bürgerkriegs gastfreundlich aufnehme, ohne Ansehen der Religion.
Derzeit befänden sich beinahe 2,5 Millionen Migranten im Land, 2,2 davon aus Syrien. «Unsere europäischen Freunde» hätten hingegen Schwierigkeiten, in der Krise eine gemeinsame Position zu finden, merkte Erdogan an.
Das Fazit am Montagabend: Auch nach den Gesprächen ist das Verhältnis zwischen der EU und der Türkei alles andere als innig. «Erdogan und Tusk kamen mir bei der Medienkonferenz wie zwei Männer vor, die sich eigentlich nichts zu sagen haben», schildert Korrespondent Ramspeck seine Eindrücke.