Jubel, Hupkonzerte, Menschen, die einander umarmen und die geballte Faust gegen den Himmel halten: Eine jubelnde Menge hat sich im Westen Baltimores versammelt, wo der Schwarze Freddie Gray am 12. April verhaftet worden war. Sie feierten die Nachricht, dass sechs Polizisten angeklagt worden sind und sich für den Tod Grays verantworten müssen.
«Jetzt haben wir, was wir wollten», sagte eine Frau, die zusammen mit tausenden anderen an der Freudenkundgebung teilnahm. «Es waren die Menschen auf der Strasse, die das ermöglicht haben», erklärte Menschenrechtsaktivist Osagyefo Sekou. «Nun liegt es an uns, hier zu bleiben und den Druck aufrecht zu erhalten.» Andere bleiben skeptisch. Eine Anklage sei keine Verurteilung, meint eine andere Frau: «Tun die das vielleicht nur, um uns ruhig zu stellen?»
Anklage: Mord und Totschlag
Tatsächlich werden die Urteile erst in einigen Monaten gefällt. Doch die Vorwürfe wiegen schwer: Ein Polizist ist wegen Mordes angeklagt, drei weitere wegen Totschlags, alle wegen Körperverletzung. Insgesamt kommt man auf 28 Anklagepunkte. Der 25-jährige Gray war am 12. April festgenommen worden und erlitt darauf in Polizeigewahrsam schwere Rückenverletzungen. Er fiel ins Koma und starb am 19. April.
Freddie Gray sei grundlos verhaftet worden, erklärte die 35-jährige Staatsanwältin Marilyn Mosby am Freitag vor den Medien. Sie warf den Polizisten vor, Gray beim Transport in einem Polizeibus misshandelt und ihm medizinische Versorgung verweigert zu haben. Die Beamten hätten Gray ohne ihn anzuschnallen auf den Bauch in das Auto gelegt. Er habe sterben müssen, weil er sich beim Transport im Polizeibus das Genick gebrochen habe.
So früh hatte niemand mit einer Anklage gerechnet. Mosby hatte den Untersuchungs- und Autopsiebericht der Polizei erst wenige Stunden zuvor erhalten. Die drei weissen und drei schwarzen Polizisten wurden verhaftet, sind inzwischen aber gegen Kaution wieder frei gekommen.
Familie zufrieden, Polizei protestiert
«Wir sind mit den heutigen Vorwürfen zufrieden», sagte der Stiefvater des 25-Jährigen an einer Medienkonferenz. Diese Anklagen seien ein wichtiger Schritt, um Gerechtigkeit für Freddie zu erreichen.
Die lokale Polizeigewerkschaft hingegen kritisiert das Vorgehen der Staatsanwaltschaft aufs Schärfste. Das sei eine «ungeheuerliche Vorverurteilung», liess sie über ihren Anwalt verlauten. Er sagte, er habe noch nie erlebt, dass eine Anklagebehörde so eilig ein Strafverfahren einleitete. Sie habe unter dem Druck der Proteste gegen den Tod Grays gehandelt, wirft der Anwalt Mosby vor. «Wir glauben, dass die Beamten entlastet werden und nichts falsch gemacht haben.»
Bürgermeisterin Stephanie Rawlings-Blake betonte dagegen an einer Medienkonferenz: Niemand in ihrer Stadt stehe über dem Gesetz. Und in Washington erklärte Präsident Obama, er wünsche sich jetzt einen fairen Prozess und vor allem eines: Die ganze Wahrheit.
Polizeigewalt gegen Schwarze in den USA
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Bild 1 von 8. Im Februar 2004 töteten Polizisten in New York den afrikanischen Einwanderer Amadou Diallo vor seinem Appartment mit 41 Schüssen. Sie hatten ihn mit einem gesuchten Serienvergewaltiger verwechselt. Die vier beteiligten Polizisten wurden von einer Jury aus schwarzen und weissen Geschworenen freigesprochen, in New York am es zu Ausschreitungen. Bildquelle: Reuters.
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Bild 2 von 8. Im November 2006 kam es zu heftigen Protesten, nachdem wiederum in New York der unbewaffnete Afroamerikaner Sean Bell von Polizisten erschossen worden war. Er hatte nach dem Verlassen einer Bar im Auto mit Freunden einen Polizeiwagen gerammt. Drei Polizisten wurden angeklagt und freigesprochen. Die Polizei zahlte eine Millionen-Entschädigung. Bildquelle: Reuters.
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Bild 3 von 8. Ausschreitungen bei Protesten gegen rassistisch motivierte Polizeigewalt in Kalifornien: Ein Polizist hatte im Januar 2009 den unbewaffneten und von anderen Polizisten am Boden fixierten Oscar Grant mit einem Schuss in den Rücken getötet. Der Beamte wurde lediglich wegen fahrlässiger Tötung verurteilt und bereits nach elf Monaten Haft entlassen. Bildquelle: Reuters.
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Bild 4 von 8. Im August 2014 sorgte der Tod des 18-jährigen Afroamerikaners Michael Brown in Ferguson im US-Bundesstaat Missouri weltweit für Schlagzeilen. Ein weisser Polizist hatte zwölf Mal auf den Schüler geschossen. Nachdem die Grand Jury entschieden hatte, kein Verfahren zu eröffnen, kam es zu gewaltsamen Protesten und nächtlichen Ausgangssperren. Bildquelle: Keystone.
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Bild 5 von 8. Im Dezember 2014 wurde der vierfache schwarze Familienvater Rumain Brisbon in Phoenix (Arizona) nach einer Polizeikontrolle erschossen, weil er seine Hand nicht aus der Hosentasche nehmen wollte. Darin waren Tabletten und keine Waffe. Auch sein Tod führte zu einer landesweiten Protestwelle. Bildquelle: Reuters.
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Bild 6 von 8. Im März 2015 erschoss ein weisser Polizist bei Atlanta (Georgia) einen möglicherweise geistig verwirrten nackten Schwarzen, der an Haustüren geklopft haben soll. Laut Polizei lief er auf einen Beamten zu, der zwei Schüsse abfeuerte. Bereits während der noch laufenden Untersuchungen zum Tathergang kam es zu Protesten. Bildquelle: Reuters.
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Bild 7 von 8. «Wie viele noch?» – Auch nach dem Tod des fünffachen Familienvaters Walter Scott in North Charleston im April 2015 gibt es Proteste gegen rassistisch motivierte Polizeigewalt. Ein Handy-Video widerlegt die Aussage des Polizisten, er habe nach einer Verkehrskontrolle in Notwehr gehandelt. Offensichtlich schoss er von hinten auf den Flüchtenden. Bildquelle: Keystone.
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Bild 8 von 8. Nach dem Tod eines 25-jährigen Schwarzen kommt es in Baltimore zu schweren Ausschreitungen. Der junge Mann war im Polizeigewahrsam verletzt worden und später gestorben. Bildquelle: Reuters.