Urs Hadorn hat über 30 Jahre im Bundesamt für Flüchtlinge gearbeitet und während dieser Zeit viele Flüchtlingskrisen erlebt. Zur Migration sagte er einmal: «Migration kann man steuern und bremsen, aber nicht einfach stoppen – genauso wenig wie Lawinen und Überschwemmungen.» Im Gespräch mit SRF News hat er sich zur aktuellen Flüchtlingssituation auf dem Mittelmeer und dem Aktionsplan der EU geäussert – und gesagt, es fehle nicht an Geld oder der Organisation, um den Flüchtlingen zu helfen, sondern an politischem Willen. Seine wichtigsten Aussagen:
- «Die meisten der zehn Positionen der EU sind Absichtserklärungen, die schon jedes einzelne Land hätte realisieren können. Dazu hätte es keinen Sondergipfel der EU-Staatschefs benötigt.»
- «Ein Staat reagiert immer auf die Befindlichkeit der Bevölkerung im eigenen Land. Nach dem Vietnamkrieg nahm die Schweiz innerhalb weniger Wochen Tausende Vietnamesen auf. Das war nur möglich, weil die Solidarität der Bevölkerung gross war. Organisatorisch wäre es auch heutzutage kein Problem, Flüchtlinge aufzunehmen, aber der Wille fehlt.»
- «Schlepperei ist Bestandteil der illegalen Migration und ein Milliardengeschäft. In Libyen ist das praktisch nicht mehr kontrollierbar, weil man seit dem Sturz von Machthaber Muamar al-Gaddafi keine Ansprechpartner mehr hat.»
- «Flüchtlingsströme kann man nicht verhindern. Wir Europäer übersehen, dass Migration stattfindet, egal wie gut wir Grenzen kontrollieren.»
- «Ich finde es falsch, von echten und von sogenannten Wirtschaftsflüchtlingen zu sprechen. Es gibt Menschen die flüchten müssen, auch wenn sie nicht der Flüchtlingskonvention von 1951 entsprechen, die aber trotzdem Schutz bedürfen.»
- «Bei «Mare Nostrum» hat man behauptet, dass Schlepper mit dieser Aktion geradezu eingeladen werden, die Leute nach Europa zu bringen. Mit der Verdreifachung der Gelder kehren wir sozusagen wieder zu dahin zurück.»
- «Längerfristige Massnahmen, die über Symptombekämpfung hinausgehen, müssen ganz anders angepackt werden. Pessimistischerweise ist dies leider realpolitisch nicht durchführbar.»