Während mehr als 100 Jahren wurden Kinder von indianischen Ureinwohnern ihren Eltern systematisch weggenommen und in staatliche Internatsschulen gesteckt. Oft erlebten sie dort körperliche und seelische Misshandlungen, viele kehrten nie mehr zu ihren Familien zurück. Durch einen Bericht der obersten Verfassungsrichterin, der diese Woche veröffentlicht wurde, erfahren nun viele Kanadier erstmals von diesem düsteren Kapitel der Geschichte Kanadas.
«Schockierende Deutlichkeit»
Der Bericht sage in einer schockierenden Deutlichkeit, dass es sich bei diesen Internatsschulen um einen kulturellen Völkermord handelte, der darauf abzielte, die Kultur der Ureinwohner zu zerstören. Dies erklärt Gerd Braune, deutscher Journalist in Ottawa im Interview mit SRF.
Das Neuartige am Bericht sei, dass er von offizieller Seite komme. Für jene, die sich seit Jahren mit dem Thema auseinandersetzen, sei der Inhalt nicht neu. «Doch nun ist es die oberste Verfassungsrichterin, die sich äussert. Und das in einer neuen Deutlichkeit.» Das werde die Debatte in Kanada beeinflussen, erwartet Braune.
Dimension wird deutlich
Überrascht habe ihn die aufgezeigte Dimension des Leides, das den Familien zugefügt wurde. So schreibt der Bericht von 6000 Kindern, die in der Schule starben und anonym beerdigt wurden, ohne dass die Eltern davon wussten.
«Das ganze Schulsystem zielte darauf ab, die indianische Bevölkerung der Einwanderungsbevölkerung anzupassen», sagt Braune. Man habe versucht, die Kultur der Ureinwohner auszumerzen.
Was Politiker nun fordern, einen respektvollen Umgang der weissen Bevölkerung gegenüber der indigenen. «Die weisse Bevölkerung muss wissen, was in diesen Internaten passiert ist.» Auch Gerd Braune findet, das Ziel sei ein friedliches Nebeneinander.