Egon Bahr wuchs in der Zeit nach dem Ersten Weltkrieg auf. Er erlebte den Zweiten Weltkrieg, die Teilung Deutschlands und den Bau der Berliner Mauer.
Während des Kalten Krieges war er zusammen mit seinem Freund und damaligen Bundeskanzler Willy Brandt massgeblich an der Entspannungspolitik zwischen Ost und West beteiligt. Wenn heute von neuen Spannungen die Rede ist, winkt der 92-Jährige im Gespräch mit SRF fast schon ab.
Wegen der Ukraine werde es keinen Krieg geben, ist Bahr überzeugt. Gründe dafür sieht er mehrere: US-Präsident Barack Obama und Kremlchef Wladimir Putin hätten vereinbart, dass es keinen Krieg zwischen den USA und Russland geben werde. Das heisse, dass die Ukraine kein Nato-Mitglied werde. Und schliesslich habe Brüssel erklärt, dass die Ukraine für lange Zeit nicht reif sein werde, um ein EU-Vollmitglied zu werden.
Didier Burkhalter hatte die Weisheit und den Mut, als OSZE-Vorsitzender zu Putin zu fahren.
Hinzu komme etwas, womit er nicht gerechnet habe, erklärt Bahr. «Das ist der Schweizer Bundespräsident.» Didier Burkhalter habe den Mut gefunden, als aktueller OSZE-Vorsitzender nach Moskau zu Putin zu fahren. «Ich habe nicht damit gerechnet, dass Putin ernsthaft mit Burkhalter reden würde.» Der Mut Burkhalters habe sich ausgezahlt. Niemand könne von sich sagen, ein langes Gespräch mit Putin gehabt zu haben – mit einem praktischen Ergebnis, dem Runden Tisch.
Nach Ansicht von Bahr wird die Ukraine weder dem Osten noch dem Westen gehören. Vielmehr müsse das Land eine neutrale Position einnehmen, analog zu Finnland oder Österreich. Beide Länder gehörten nicht zur Nato, spielten aber dennoch eine aktive Rolle in der westeuropäischen Politik und Gesellschaft.