Die Vereinbarungen zum Flüchtlingspakt der EU mit der Türkei sind seit Sonntag zwar formell in Kraft, aber mit der Umsetzung dürfte es zunächst hapern.
Griechenland fehle es an Personal, türkische Beamte seien noch nicht vor Ort und die Einzelheiten der geplanten Rückführung von Flüchtlingen in die Türkei unbekannt, hiess es aus Behördenkreisen in Athen.
Zwangsweise Rückführung
Der Pakt sieht vor, dass alle Flüchtlinge, die ab Sonntag illegal von der Türkei nach Griechenland übersetzen, ab Anfang April zwangsweise in die Türkei zurückgebracht werden. Vorher haben die Flüchtlinge jedoch das Recht auf eine Einzelfallprüfung im EU-Land Griechenland. Nur wer nachweisen kann, dass er in der Türkei verfolgt wird, darf bleiben. Dies dürfte aber nur für wenige gelten.
Etwa die Hälfte der in Griechenland ankommenden Flüchtlinge sind Syrer. Die EU hat sich im Gegenzug bereit erklärt, der Türkei bis zu 72'000 Flüchtlinge aus dem Bürgerkriegsland Syrien abzunehmen. Für jeden Syrer, der in die Türkei zurückkehrt, will die EU einen Syrer aus der Türkei aufnehmen. Allerdings ist die Verteilung der Menschen auf die einzelnen EU-Staaten noch unklar.
Bayern beharrt auf Obergrenze
Da viele EU-Mitglieder kaum oder gar keine Flüchtlinge aufnehmen wollen, könnten die meisten wieder nach Deutschland kommen. Der bayerische Ministerpräsident und CSU-Chef Horst Seehofer bekräftigte deshalb seine Forderung nach einer nationalen Obergrenze von 200'000 Flüchtlingen pro Jahr.
«Alle Länder mit Ausnahme Deutschlands praktizieren inzwischen eine Politik der Obergrenze. Das Ergebnis ist der Rückgang der Flüchtlingszahlen», sagte er der «Bild am Sonntag».
Zudem erteilte Seehofer weitreichenden Zugeständnissen an die Türkei im Gegenzug für deren Kooperation in der Flüchtlingskrise eine Absage. «Eine Vollmitgliedschaft der Türkei in der EU oder eine komplette Visa-Freiheit wird es mit der CSU in der Bundesregierung nicht geben. Sonst importieren wir die inneren Probleme der Türkei nach Deutschland», betonte er. Er verlangte eine Abstimmung im Bundestag über den Türkei-Pakt sowie über Merkels Flüchtlingspolitik.
4000 Mitarbeiter vonnöten
Griechenland braucht zur Umsetzung des Flüchtlingspakts mit der Türkei nach Ansicht der EU-Kommission insgesamt 4000 Helfer. Bereits bei der Bearbeitung von Asylanträgen würden etwa 400 Dolmetscher und 400 Asyl-Fachleute benötigt, erklärte die Brüsseler Behörde.
Bei den Einspruchverfahren gegen geplante Rückführungen in die Türkei seien weitere 30 Dolmetscher sowie 30 Richter aus anderen EU-Ländern erforderlich. Für die eigentlichen Rückführungen würden weitere 50 Frontex-Experten sowie 1500 Polizeikräfte gebraucht. Insgesamt seien 4000 Mitarbeiter erforderlich, hiess es. Einige davon soll Griechenland selbst stellen. Auch die EU-Grenzschutzagentur Frontex und die europäische Asylagentur EASO sollten sich beteiligen.
300 Mio. Euro Kosten für sechs Monate
Die Kosten der Operation für die nächsten sechs Monaten beliefen sich auf 280 bis 300 Millionen Euro, hatte EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker zuvor angekündigt.
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Der Vizepräsident der EU-Kommission, Valdis Dombrovskis, mahnte zur Eile. «Wir müssen die Grenzen schützen, die Flüchtlinge sofort bei ihrer Ankunft in der EU registrieren, mit Drittstaaten die Rücknahme von Wirtschaftsflüchtlingen vereinbaren und die Flüchtlinge in Europa verteilen», sagte er den Zeitungen der Funke Mediengruppe.
Abschreckung geplant
Der am Freitag in Brüssel vereinbarte Pakt enthält auch einen Abschreckungsmechanismus: Flüchtlinge, die unerlaubt von der Türkei zu den griechischen Inseln übersetzen, sollen schlechtere Chancen auf eine Zukunft in Europa haben. Denn Vorrang bei der so genannten offiziellen Umsiedlung von Syrern aus der Türkei nach Europa sollen Flüchtlinge haben, die nicht zuvor irregulär in die EU eingereist sind oder es versucht haben.
Fraglich war, wie die griechischen Behörden reagieren, falls sich Flüchtlinge gegen die Rückführung wehren. Nach Angaben der EU-Kommission werden für die eigentlichen Rückführungen 50 Frontex-Experten sowie 1500 Polizeikräfte gebraucht.
Kritik von Amnesty
Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International hatte die jüngsten EU-Gipfelbeschlüsse als rechtswidrig bezeichnet. Die Türkei sei für Flüchtlinge kein sicheres Land, und jeder Rückführungsprozess, der auf dieser Einstufung basiere, sei illegal und unmoralisch.
Die Vereinten Nationen (UNO) mahnten zudem, dass die Menschenrechte im Rahmen des Abkommen zu beachten sind.