- Eine Milliarde zusätzlicher EU-Gelder zur Versorgung von Flüchtlingen in Nachbarstaaten Syriens.
- Einrichtung von Registrierungszentren («Hotspots») in Griechenland, Italien und allenfalls Bulgarien bis Ende November.
- Verteilung von 12'000 Flüchtlingen bleibt auch gegen den Willen osteuropäischer Staaten bestehen. Merkel: «Flüchtlinge haben keinen Anspruch auf ein bestimmtes Land.»
- EU-Ratspräsident Tusk: «Politik der offenen Türen und Fenster muss beendet werden.» Zusätzliche Gelder für Grenzschutzagentur Frontex.
Bei ihrem Sondergipfel zur Flüchtlingskrise in Brüssel zeigten sich die Staats- und Regierungschefs der EU geschlossen. In der Nacht auf Donnerstag einigten sie sich darauf, eine zusätzliche Milliarde Euro für die Versorgung syrischer Flüchtlinge in Nachbarländern Syriens aufzuwenden.
Gemäss der Abschlusserklärung soll das Geld unter anderem an das UNO- Welternährungsprogramm und das UNO-Flüchtlingshilfswerk UNHCR fliessen. Dem Welternährungsprogramm fehlte bisher Geld; die Organisation musste ihre Unterstützung für Flüchtlinge kürzen.
Hotspots in Italien und Griechenland
Neben den finanziellen Mitteln für die Flüchtlinge beschlossen die Staats- und Regierungschefs auch, in Italien und Griechenland bis Ende November sogenannte Hotspots einzurichten. Dabei handelt es sich um Registrierungszentren für Flüchtlinge.
Auch Bulgarien habe sich bereit erklärt, einen solchen Hotspot zu schaffen, sagte die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel. «Das Chaos an unseren Aussengrenzen muss ein Ende nehmen», meinte dazu EU-Ratspräsident Donald Tusk. Die «Politik der offenen Türen und Fenster» müsse beendet werden.
Dabei müsse stets die menschliche Würde der Flüchtlinge gewahrt werden, ergänzte Merkel. Dies gelte auch für jene Menschen, die wieder in ihr Heimatland zurück müssten, weil sie kein Recht auf Asyl hätten. «Das hat etwas mit dem Gesicht Europas in der Welt zu tun», sagte Merkel. Bei aller Unterstützung für die Flüchtlinge gebe es für diese jedoch keine Wahlfreiheit: «Es gibt keinen Anspruch auf ein bestimmtes Land.»
Mit oder ohne Assad?
Merkel äusserte sich nach dem Gipfel auch zur Rolle des syrischen Präsidenten Baschar al-Assad: «Es muss mit vielen Akteuren gesprochen werden, auch mit Assad.» Der französische Präsident François Hollande hingegen sagte, eine Lösung des Konflikts in Syrien mit dem Diktator sei nicht möglich. Die Frage, ob Assad in eine Konfliktlösung eingebunden werden soll oder nicht, dürfte noch zu reden geben.
Kampfansage von Hollande
Vor dem Sondergipfel war Hollande mit einer Kampfansage aufgetreten. Wer europäische Werte nicht teile, solle sich fragen, ob er noch in der EU bleiben wolle, sagte Hollande. Namen von Staaten nannte er nicht.
Auch der liberale belgische Premier Charles Michel sprach sich für Sanktionen aus, falls der Beschluss der EU-Innenminister nicht in die Tat umgesetzt werde.
Rumänien, Ungarn, die Slowakei und Tschechien hatten beim Treffen am Dienstag gegen den Kompromiss gestimmt, der eine Verteilung von 120'000 Flüchtlingen in Europa vorsieht. Beim Gipfel zeigten sich Mitgliedsländer aus Mittel- und Osteuropa darüber empört.
Rechtlich bindender Beschluss
Doch EU-Kommissionschef Jean-Claude Junker schloss Änderungen am Kompromiss aus: «Der Beschluss steht.» Der niederländische Regierungschef Mark Rutte sagte: «Das ist ein rechtlich bindender Beschluss, also müssen wir es am Ende machen.»
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Die EU-Kommission kann rechtlich gegen Mitgliedstaaten vorgehen, die sich nicht an EU-Recht halten; solche Verfahren können vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) landen. Die Slowakei will gegen den EU-Beschluss klagen. Das kündigte der sozialdemokratische Regierungschef Robert Fico in Bratislava an. Tschechien will den Mehrheitsbeschluss dagegen akzeptieren.
Stärkung der Aussengrenzen
EU-Gipfelchef Donald Tusk rief mit eindringlichen Worten dazu auf, an einem Strang zu ziehen. Wichtigste Aufgabe sei nun der Schutz der gemeinsamen Aussengrenzen; Millionen Menschen aus Nahost könnten nach Europa strömen. Dazu sollen die EU-Grenzschutzagentur Frontex und die gemeinsame Polizeibehörde Europol gestärkt werden. «Die heutige Debatte muss sich auf Fakten gründen, nicht auf Illusionen und Emotionen», sagte Tusk.
Angela Merkel rief schon vor dem Gipfel die europäischen Regierungen zu einem gemeinsamen Vorgehen auf. Angesichts «einer grossen Herausforderung» dürfe es nicht passieren, «dass Europa sagt, wir werden mit der Sache nicht fertig», sagte sie.
«Das wäre ganz falsch», sagte Merkel in Brüssel. Europa habe die Kraft, die Krise zu bewältigen. Dazu müsse die EU in der Aussenpolitik aktiver werden und Fluchtursachen wirksamer bekämpfen, aber auch mit der Türkei beim Grenzschutz stärker zusammenarbeiten.