Der deutsche CDU-Politiker Elmar Brok ist einer der einflussreichsten EU-Parlamentarier. Als Vertreter des EU-Parlaments war er dabei, als es um die Neugestaltung der britischen EU-Mitgliedschaft ging. Heute sagt Brok zu einem möglichen Austritt Grossbritanniens: «Es gibt Schlimmeres. Es wäre zwar für die EU und für Grossbritannien ein negatives Ereignis mit langfristigen Folgen, allerdings mit negativeren für Grossbritannien.»
Grossbritannien wäre danach komplett isoliert und geschwächt. Aber auch die EU würde weltweit an Gewicht verlieren. Dass ein Brexit darüber hinaus den Zusammenhalt der restlichen EU in Frage stellen würde, glaubt Brok indes nicht.
Keine Angst vor dem Dominoeffekt
Auf die Frage «warum nicht?» fragt Brok zurück: «Warum sollte es?» Dass ein Austritt Grossbritanniens auch andere Länder dazu motivieren könnte, aus der EU auszutreten, ist für Brok ausgeschlossen.
Die Gelassenheit des Christdemokraten gegenüber einem möglichen Brexit überrascht. Normalerweise sprechen Vertreter seiner Partei und auch der Sozialdemokraten von dramatischen Szenarien.
Sollen sie doch gehen. Uns Europäern wäre das egal.
Zu einer ähnlichen Analyse wie Brok kommt der Franzose Jean Quatremer, einer der profiliertesten Journalisten in Brüssel: Bereits heute mache Grossbritannien in vielen Bereichen gar nicht mit, beim Euro etwa, bei Schengen, bei der Flüchtlingspolitik, bei der gemeinsamen Aussenpolitik. Ein Austritt Grossbritanniens würde deshalb gar nichts verändern. «Sollen sie doch gehen – uns Europäern wäre das egal.»
Noch einen Schritt weiter geht Dominique Riquet. Er ist ebenfalls Franzose und sitzt für die Liberalen im EU-Parlament. Riquet fordert die Briten sogar auf, die EU zu verlassen. Die Mitgliedschaft Grossbritanniens erachte er als Problem, weil London bei praktisch jedem weiteren Integrationsschritt auf die Bremse trete. Riquet möchte die EU weiter vertiefen, und das sei einacher ohne Grossbritannien.
Doch wer hat recht? Was wären die Folgen eines Brexit? Auch wenn die Frage definitiv erst nach der Abstimmung beantwortet werden kann, so wäre ein Brexit doch ein präzedenzloses Ereignis, welches die bisherige Integration in Frage stellen würde. Deshalb scheint die Annahme naheliegend, dass ein Brexit den Zusammenhalt der EU tatsächlich gefährden könnte. Aber Brok, Quatremer und Rique sind alles andere als Wirrköpfe. Genau deshalb geben ihre Aussagen zum Denken Anlass.