Der Zustrom an Bootsflüchtlingen über das Mittelmeer sorgt für Spannungen in Europa. Italien ist überfordert und verlangt Unterstützung. Damit tun sich die EU-Staaten aber schwer. Die geplante Umverteilung zeichnet sich nur auf freiwilliger Basis ab. Das teilten EU-Diplomaten beim Treffen der EU-Innenminister in Luxemburg mit.
Kritik an Quotenregelung gross
Ob und wann eine Flüchtlingsquote kommt, ist völlig offen. «Viele Staaten sind absolut gegen eine verpflichtende Verteilung», sagte ein Diplomat. Die Frage wurde von den Ministern fast drei Stunden lang diskutiert, es gab aber keine Abstimmung. Insbesondere aus Ost- und Mitteleuropa, darunter vor allem Ungarn und Tschechien, kam Widerstand. Grossbritannien, Irland und Dänemark wollen sowieso nicht mitmachen. Und Deutschland sowie Frankreich fordern Nachbesserungen an dem Vorschlag der EU-Kommission.
Diese hatte Ende Mai vorgeschlagen, 40'000 Flüchtlinge aus Italien und Griechenland binnen zwei Jahren in anderen EU-Ländern unterzubringen. Dabei soll es nur um Menschen aus Syrien oder Eritrea gehen, die gute Chancen auf Asyl in Europa haben. Kriterien für die Quote sollen Einwohnerzahl, Wohlstand, Arbeitslosigkeit und die bisherigen Leistungen bei der Aufnahme sein.
Sommaruga: «Dublin muss weiter funktionieren»
«Dublin muss auch in der Krise weiter funktionieren» sagte Bundespräsidentin Simonetta Sommaruga in Luxemburg. Man sei sich bewusst, dass es angesichts der vielen Flüchtlinge keine nationalen Lösungen geben könne, so die Justizministerin weiter. «Vielmehr ist allen klar, dass Dublin ergänzt werden muss.»
Daher hatte die EU-Kommission Mitte Mai eine Migrationsagenda präsentiert mit Massnahmen, wie mit den vielen Flüchtlingen umgegangen werden soll. «In den meisten Punkten der von der EU-Kommission präsentierten Agenda war man sich einig», fasste die Bundespräsidentin die Diskussion der Minister zusammen.
Auffanglager gutgeheissen
Einig waren sich die EU-Minister laut Diplomaten, dass es Auffanglager in EU-Staaten wie Italien geben soll, wo Flüchtlinge registriert und identifiziert werden. Italien hat laut Sommaruga einem solchen «Hotspot» in Sizilien zugestimmt. Wer «nur» als Wirtschaftsflüchtling identifiziert wird, soll unmittelbar wieder in sein Herkunftsland zurückgeschickt werden.
Auch der Grenzstreit zwischen Frankreich und Italien kam bei dem Treffen zur Sprache. Einträchtig nebeneinander erklärten der französische Innenminister Bernard Cazeneuve und sein italienischer Amtskollege Angelino Alfano vor Journalisten, dass sie die Zusammenarbeit der Grenzpolizei ausbauen wollen. «Es ist nicht so, dass Frankreich und Italien sich verständnislos gegenüberstehen – es gibt den Willen, zusammenzuarbeiten», sagte Cazeneuve. Er beteuerte, sein Land habe die Grenze nicht abgeriegelt.
Hunderte Flüchtlinge – zumeist aus Afrika – waren an der Grenze gestrandet und harrten tagelang aus, nachdem französische Polizisten sie an der Einreise nach Frankreich gehindert hatten.
Verteilschlüssel auf freiwilliger Basis?
«Es gibt in der EU drei Lager», analysiert SRF-Korrespondent Sebastian Ramspeck. «Ein Drittel will keinesfalls einen verbindlichen Verteilschlüssel. Ein anderes Drittel unterstützt den Schlüssel wie zum Beispiel Deutschland. Und schliesslich gibt es noch das schweigende letzte Drittel. Diese Staaten spielen das Zünglein an der Waage.»
Jetzt hoffe man, dass nächste Woche in Brüssel auf höchster politischer Ebene ein Grundsatzentscheid falle. Ramspeck weiter: «Möglich ist auch, dass der Verteilschlüssel am Ende nur auf freiwilliger Basis durchgesetzt wird.»