Jetzt ist es amtlich: Die Ethikkommission des Fussball-Weltverbands hat Sepp Blatter und den Uefa-Chef Michel Platini suspendiert. Beide dürfen für 90 Tage keine Funktionen im Fussball ausüben. «Rein faktisch ist das natürlich für Blatter noch kein Abgang, aber am Ende wird es wohl darauf hinauslaufen», beurteilt SRF-Sportredaktor Ueli Reist die aktuellen Geschehnisse.
Letzterer sieht das offensichtlich etwas entspannter – zumindest wenn man den Worten seines Beraters glauben darf. «Er freut sich auf drei Monate Ferien», sagte Klaus J. Stöhlker der deutschen Bild-Zeitung. Danach werde sich der Walliser wieder zurückmelden, um am 26. Februar den Kongress zu führen, so der Blatter-Berater weiter.
Dass es dazu kommt, hält Ueli Reist aber für wenig wahrscheinlich. Denn «die Ethikkommission kann Blatter nach Ablauf der 90 Tage noch einmal für weitere 45 Tage suspendieren». Dann könne dieser nicht mehr den Kongress führen.
Pieth schlägt Übergangspräsident vor
Generell, so ist sich Reist sicher, treffe Blatter die Suspendierung im Innersten. Denn er «war immer sehr machtbewusst und selbstverliebt, taktisch geschickt und kokettierte mit seiner Macht». Dass ihm nun ausgerechnet die von ihm einst unter Druck mit ins Leben gerufene Ethikkommission zum Verhängnis wird, entbehre nicht einer gewissen Ironie.
Für den Basler Antikorruptionsexperten Mark Pieth hingegen ist es keine Ironie, sondern ein Beleg dafür, «dass das System (die Ethikkommission), welches wir 2012 eingerichtet haben, funktioniert und handlungsfähig ist». Mit Blick auf die Zukunft könne dies den Weg für Reformen freimachen. Insgesamt sei die Suspendierung Blatters eine grosse Chance für die Fifa, ist Pieth überzeugt.
Nun hänge alles davon ab, ob es gelänge, einen glaubwürdigen Präsident zu finden. Weil die Zeit dafür bis zum Februar allerdings sehr knapp bemessen sei, wartet Pieth mit einem ungewöhnlichen Vorschlag auf – der Wahl eines Übergangspräsidenten. «Der sollte nur für zwei Jahre amtieren, dafür aber den Boden für die Zukunft bereiten.»
Tognoni: Fifa ist im «Schockzustand»
Ähnlich sieht es Fifa-Kritiker Guido Tognoni. Allerdings sei die Fifa nach Blatters unfreiwilligem Abgang in einer schwierigen Lage. Niemand sei da, um das Tagesgeschäft zu führen. Das lähme die Fifa zusätzlich.
«Wobei die Fifa schon vorher einigermassen gelähmt war», sagt der ehemalige Pressechef des Weltfussballverbands. Die Fifa sei seit einiger Zeit ohne Generalsekretär. «Zudem hat sie einen Präsidenten, der höchstens noch zu Putin fliegen kann, weil er Angst hat, dass er wegen der US-Affäre gefasst wird.»
Neuer Präsident sollte integer sein
Die «Schlinge um Sepp Blatter» habe sich «kontinuierlich zugezogen». Mit der Suspendierung sei nun der Schockzustand eingetreten, sagt Tognoni. «Man muss sich durchwursteln bis zum nächsten Kongress und hoffen, dass es eine saubere Wahl gibt, damit ein neuer Präsident den Laden in Ordnung bringen kann.»
Die Fifa sei in den letzten 40 Jahren im Korruptionssumpf versunken. Der Nachfolger Blatters müsse deshalb vor allem integer sein. «Denn nur so», glaubt Tognoni, «kann der gute Ruf wieder hergestellt werden». Er könne sich nicht vorstellen, dass Blatter oder auch Platini, der seine Kandidatur noch am Morgen schriftlich eingereicht hatte, im Februar eine Chance auf eine Wahl hätten.