Eine Lehre machen als Coiffeuse, Schreiner oder Maler und gleichzeitig eine Ausbildung an einer Berufsschule, danach vielfache Weiterbildungs-Möglichkeiten: Das Schweizer Modell stösst international auf grosses Interesse – ist sozusagen ein Exportschlager. Kein Wunder also, dass sich an den Berufsweltmeisterschaften «Worldskills» in São Paulo, Brasilien derzeit Schweizer Regierungsvertreter, Bildungswissenschaftler und Unternehmer nur so tummeln.
Darunter der Zürcher Berufsbildungs-Unternehmer Franz Probst. Er ist nach São Paulo gereist, um seine Dienstleistungen in Brasilien anzupreisen. Sein Service: Fachkräfte in Schwellenländern ausbilden. Er ist Geschäftsführer von Skillsonics, einem Unternehmen, das in Indien mehrere tausend Leute in technischen Berufen ausgebildet und zertifiziert hat.
Arbeit mit lokalen Partnern wichtig
Die Nachfrage für Lehrstellen nach Schweizer Modell sei stark in Indien. «Der Fachkräftemangel ist auf der ganzen Welt so gross, dass nun nach Lösungen gesucht wird», erklärt Probst. Und da stehe die Schweiz als Gesprächspartner in der vordesten Reihe.
Bildungsunternehmer Probst hat für sein Unternehmen eine lukrative Geschäftsnische entdeckt. Zuerst arbeitete er im Auftrag von Schweizer Unternehmen wie Rieter, Bühler oder Bobst, die dringend Fachkräfte für ihre indischen Tochtergesellschaften brauchten. Unterdessen hätten aber auch indische Unternehmen und Staatsstellen Interesse an der Schweizer Lehre. Um in anderen Ländern eine Akzeptanz für dieses System zu schaffen, müsse man lokale Unternehmen, Partner und Berufsschulen einbinden, so Probst.
Überzeugungsarbeit bei Unternehmen
Das «Modell Schweiz» könne nicht eins zu eins exportiert werden, warnt Erik Swars vom Schweizerischen Hochschulinstitut für Berufsbildung, der zurzeit ebenfalls in São Paulo ist. Man müsse Rücksicht nehmen auf die lokalen Besonderheiten im Schulsystem und in der Wirtschaftsstruktur.
Dass die Unternehmen aktiv mitwirkten und damit eine arbeitsmarktnahe und praktische Berufsbildung förderten, so wie in der Schweiz, sei in vielen anderen Ländern noch nicht üblich, weiss Swars: «Die starke Einbindung der Privatwirtschaft ist ein ganz wichtiger Erfolgsfaktor in der Schweiz.» In anderen Ländern sei diese Kultur aber nicht vorhanden. So brauche es einiges an Überzeugungsarbeit, um die Unternehmen zu integrieren, damit sie Lehrstellen schaffen und mit Schulen und Universitäten zusammenspannen würden.
Bund setzt auf Berufsbildung als Kampf gegen Armut
Auch der Bund fördert die Berufsbildung im Ausland, primär um Schweizer Unternehmen zu gut ausgebildeten Fachkräften zu verhelfen; so hat er gerade ein Abkommen zur Zusammenarbeit mit den USA unterzeichnet.
In Schwellenländern ist die Förderung der Berufsbildung aber auch ein wichtiges Mittel der Entwicklungszusammenarbeit, wie Simon Junker von der Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit (Deza) sagt: «Die Berufsbildung ist seit längerer Zeit ein wichtiges Thema, weil eine bessere Ausbildung den Leuten ermöglicht, ein besseres Einkommen zu erzielen und so der Armut zu entfliehen.»
So hilft die Schweiz zahlreichen Partnerländern, ein eigenes Berufsbildungssystem aufzubauen, und trägt damit zur Stärkung der lokalen Wirtschaft bei – damit junge Menschen dort eine berufliche Perspektive erhalten und nicht auswandern müssen.
Ein ähnliches Ziel verfolgt auch das Bundesamt für Migration, das mit elf Staaten Abkommen abgeschlossen hat, um junge Berufsleute zur Weiterbildung in die Schweiz zu holen, damit diese dann ihr Wissen in ihren Herkunftsländern weitergeben und auch für sich selber bessere Berufsaussichten erhalten.