Der Moskauer Fernsehsender TWZ zeigt ein Überwachungsvideo von der Brücke, auf der Nemzow erschossen wurde. In der Aufnahme ist von weitem zu sehen, wie sich zwei Personen zur Tatzeit um 23.30 Uhr (21.30 Uhr MEZ) auf der Grossen Moskwa-Brücke bewegen. Allerdings verdeckt kurz eine Kehrmaschine die Sicht auf die weiteren Ereignisse. Wenig später ist zu sehen, wie der mutmassliche Täter auf die Strasse läuft, in ein Auto einsteigt und flüchtet. Etwa zehn Minuten danach trifft die Polizei ein.
Warnung vor Desinformation
Angesichts der Vielzahl von Medienberichten zum Mord am Kreml-Kritiker Boris Nemzow haben die russischen Ermittlungsbehörden jedoch vor voreiligen Schlüssen gewarnt. So wiesen die Ermittler einen Bericht über den angeblichen Fund des Fluchtautos zurück. Nun warnen die Behörden ausdrücklich vor einer Desinformation der Öffentlichkeit.
Die russische Ermittlungsbehörde hat unterdessen drei Millionen Rubel (rund 45 000 Euro) Belohnung für Hinweise auf den Täter ausgesetzt. «Wir sind zur Auszahlung bereit, wenn die Tipps zur Klärung dieser Tat führen», teilte die Behörde in Moskau mit. Das Innenministerium forderte mögliche Zeugen des Überfalls auf den Oppositionspolitiker auf, sich zu melden. Die Behörde garantiere Anonymität.
Der frühere Vize-Regierungschef wurde nach Angaben von Ermittlern mit vier tödlichen Schüssen in den Rücken getroffen. Die Begleiterin des 55-Jährigen bleib unverletzt.
Scharfe Putin-Kritik im letzten Interview
Nur wenige Stunden vor seiner Ermordung hatte Boris Nemzow seine scharfe Kritik an Kremlchef Wladimir Putin bekräftigt. «Der gewichtigste Grund der Krise ist, dass Putin eine sinnlos aggressive, für unser Land und für viele Bürger tödliche Politik des Krieges gegen die Ukraine begonnen hat», sagte der 55-Jährige dem regierungskritischen Radiosender Echo Moskwy in seinem wohl letzten Interview. Die Anwesenheit russischer Truppen im Donbass nannte er «bewiesen». Der Kreml bestreitet dies.
«Um das Land in Ordnung zu bringen und die Krise zu bewältigen, sind wirkliche politische Reformen erforderlich», forderte Nemzow in dem Gespräch, dessen Wortlaut der Sender am Samstag in Schriftform veröffentlichte. Konkret seien etwa ehrliche Wahlen ohne Behinderung der Opposition nötig. «Die Zensur muss beendet werden, um diese elende Lügenpropaganda zu stoppen, die der russischen Bevölkerung den Verstand verdreht hat», sagte der ehemalige Vizeregierungschef.
Litwinenko-Witwe beschuldigt Putin
Die Witwe des russischen Oppositionellen Alexander Litwinenko hat den Mord an Boris Nemzow als Warnung an die Gegner des Kremls bezeichnet. So werde vorgeführt, dass jeder getötet werde, der das Wort gegen die russische Regierung ergreife, sagte Marina Litwinenko bei BBC Radio. Ihr Mann, der früher für den russischen Geheimdienst KGB gearbeitet hatte, war 2006 in London vergiftet worden. Die Litwinenko-Witwe gibt Moskau die Schuld an der Tat. «Für alles, was in Russland passiert, sind diese Regierung und Herr Putin verantwortlich», sagte sie.