Der französische Präsident François Hollande hatte im Wahlkampf vor vier Jahren versprochen, das AKW Fessenheim bis Ende 2016 vom Netz zu nehmen. Inzwischen ist noch von einem Dekret zur Abschaltung die Rede, welches bis Ende Jahr erlassen werden soll.
Doch dagegen wehrt sich der Betreiber Electricité de France (EdF). Er will zuerst wissen, wie viel Geld er vom Staat als Entschädigung für die vorzeitige Abschaltung des Pannenreaktors erhält. Für Hollande bedeutet dies ein weiteres Versprechen, das er nicht einhalten kann, wie der frühere SRF-Frankreichkorrespondent Ruedi Mäder im Gespräch erklärt.
SRF News: Die Regierung will, der Energiekonzern EdF offensichtlich nicht: Wie stehen die Chancen, dass die Stilllegung des AKWs Fessenheim noch dieses Jahr in Angriff genommen wird?
Ruedi Mäder: Es sieht schon danach aus, dass die ganze juristische Prozedur zur Abschaltung des AKWs bis Ende Jahr in Gang kommen könnte. Bis es dann aber tatsächlich zur Abschaltung kommt, wird es noch einige Zeit dauern.
SRF News: Was steht hinter der Verzögerungstaktik des Energiekonzerns?
EdF fordert für die vorzeitige Stilllegung Fessenheims eine Entschädigung von zwei bis drei Milliarden Euro, die französische Umweltministerin Royale will höchstens 100 Millionen Euro bezahlen. Das ist eine riesige Diskrepanz. Zudem spekuliert EdF, dass die bürgerliche Opposition die Wahlen 2017 gewinnen wird und ein Präsident Sarkozy oder Juppé die Abkehr von der Atomenergie stoppt. So könnte Fessenheim doch noch weiterbetrieben werden.
EdF hofft, dass Fessenheim weiter betrieben werden kann, sollte Sarkozy 2017 Präsident werden.
Im AKW Fessenheim kommt es immer wieder zu Störfällen. Erst Anfang Woche wurde einer der Reaktoren für eine ausserplanmässige Kontrolle abgeschaltet. Der Druck aus Deutschland und der Schweiz, das AKW abzuschalten ist gross. Lässt das den Energiekonzern EdF völlig kalt?
EdF sagt natürlich, dass das AKW Fessenheim absolut sicher sei, die Anlage laufend nachgerüstet werde und dies die strenge französische Aufsichtsbehörde auch kontrolliere. Die Gegner dagegen verweisen auf die Tatsache, dass Fessenheim in einem Erdbebengebiet liegt und die Anlage veraltet sei. Es ist dieselbe Diskussion, die wir in der Schweiz auch kennen. Die neuste Abschaltung eines der Reaktoren könnte nun aber so etwas wie einen Wink mit dem Zaunpfahl bedeuten: Wenn die Behörden das AKW nämlich wegen Sicherheitsproblemen schliessen sollten, gäbe es für EdF gar keine Entschädigung – also sollte sich der Konzern überlegen, die angebotenen 100 Millionen Euro zu nehmen.
Hollande ist mit einer sozialistischen Agenda angetreten, musste aber eine Kehrtwende machen.
Der französische Staat besitzt mit 85 Prozent die Mehrheit am AKW Fessenheim. Trotzdem kann er EdF offenbar nicht zur Stilllegung zwingen. Warum ist das so?
Paris hat schon die Macht, EdF zur Schliessung des AKWs zu zwingen. Doch damit ist die Entschädigungsfrage noch nicht gelöst. Der Staat stellt sich auf die Position, dass das Atomkraftwerk für eine Betriebsdauer von 40 Jahren ausgelegt war, als es 1977 ans Netz ging und nun amortisiert sei. So kommt er auf die kleine Entschädigung in Höhe von 100 Millionen Euro. EdF dagegen sagt, man habe ständig in die Anlage investiert und Teile erneuert, dies habe die Lebensdauer des AKWs verlängert. So kommt EdF auf die Entschädigungsforderung in Milliardenhöhe.
Präsident Hollande hatte 2012 im Wahlkampf die Schliessung des AKWs Fessenheim versprochen. Es scheint dies nur ein weiteres Versprechen zu sein, das er nicht einhalten kann. Was heisst das für seine politische Bilanz?
Hollandes grosses Problem ist, dass er mit einer echt linken Agenda angetreten ist, unter dem Druck der Wirtschaftskrise aber eine völlige Kehrtwende machen musste. Er muss Frankreich reformieren und wettbewerbsfähig machen. Er muss dafür eine sozialdemokratische, eine Art schrödersche Politik machen. Das Auseinanderklaffen seiner Versprechen und der Realität ist ein wichtiger Grund für seine Unpopularität. Die Kluft zwischen Versprechen und Wirklichkeit beeinflusst nun zunehmend auch die Umweltpolitik, was Hollandes Koalitionsparter, die Grünen, zunehmend verärgert. Es könnte deshalb sein, dass sie bei den nächsten Präsidentenwahlen mit einem eigenen Kandidaten antreten. Dadurch würden sich die Stimmen der Linken zersplittern, was das sichere Scheitern Hollandes für eine zweite Amtszeit bedeuten würde, so er denn tatsächlich nochmals antritt.
Das Interview führte Philippe Chappuis.