Die Schliessung der Balkanroute für Migranten schien schon vor dem Treffen der Staats- und Regierungschef in Brüssel beschlossene Sache zu sein – doch gegen die Pläne gibt es offenbar nun Widerstand.
Bundeskanzlerin Angela Merkel wehrt sich gegen den Vorschlag. «Es kann nicht sein, dass irgendetwas geschlossen wird», sagte sie vor der Beratung. Ihr Widerstand zeigt offenbar Wirkung. Der Gipfel geht in die Verlängerung. Es solle ein – bisher nicht angekündigtes – Abendessen mit dem türkischen Ministerpräsidenten Ahmet Davutoglu geben, berichteten Diplomaten.
Davutoglu mit «ehrgeizigen Ideen»
Davutoglu habe «neue und ehrgeizige Ideen» vorgelegt. Dem Vernehmen nach geht es darum, dass Ankara mehr Flüchtlinge aus Griechenland zurücknehmen könnte als bisher angekündigt.
Die Regierung in Ankara biete etwa an, mehr nicht-syrische Migranten aus der EU zurückzunehmen und nicht nur die, die in der Ägäis aufgegriffen werden, hiess es am Rande des Treffens.
Die Türkei fordere für ihr Entgegenkommen, dass die EU mehr als die vereinbarten drei Milliarden Euro für die Versorgung syrischer Flüchtlinge in der Türkei zahlt, hiess es aus Diplomatenkreisen.
Ringen um eine Lösung
Beim EU-Gipfel in Brüssel beraten die 28 Staats- und Regierungschefs mit dem türkischen Ministerpräsidenten Ahmet Davutoglu darüber, wie der Migrationsstrom aus der Türkei Richtung Europa gestoppt werden kann. Zur Diskussion steht ein Abkommen zur Schlepperbekämpfung und zur Rücknahme von Flüchtlingen.
Diese Art Aktionsplan sehe vor, dass die Türkei die Grenzen zu Griechenland komplett dicht mache, sagt SRF-Korrespondent Sebastian Ramspeck. Zudem solle sich die Türkei verpflichten, Flüchtlinge und Migranten zurückzunehmen, die dennoch den Weg nach Griechenland schaffen würden.
Die EU will der Türkei dafür drei Milliarden Euro zahlen und Visaerleichterungen in Aussicht stellen. Laut EU-Diplomaten soll bei dem Gipfel auch das Vorgehen der türkischen Behörden gegen die regierungskritische Zeitung «Zaman» zur Sprache kommen. Die EU will zudem Nothilfen von insgesamt 700 Millionen Euro beschliessen, die vor allem Griechenland zugutekommen sollen.
Die deutsche Kanzlerin Angela Merkel beriet am Vorabend in Brüssel mit Davutoglu mehrere Stunden lang über Konsequenzen der Flüchtlingskrise. Das bestätigten deutsche Regierungskreise. Einzelheiten wurden nicht bekannt.
Mazedonien verschärft Einreisebestimmungen
An der griechisch-mazedonischen Grenze sind Tausende Migranten gestrandet, nachdem die Balkanländer und Österreich ihre Einreisebestimmungen deutlich verschärft haben. So dürfen mittlerweile nur noch jene syrischen und irakischen Flüchtlinge nach Mazedonien einreisen, die aus vom Krieg direkt erfassten Gebieten stammen. Für Flüchtlinge aus Damaskus oder Bagdad gibt es kein Weiterkommen.
In der Ägäis soll heute auch der Nato-Einsatz gegen Schlepper beginnen. Das UNO-Flüchtlingswerk und andere Hilfsorganisationen kritisieren den Einsatz scharf. Das Aufbringen und Zurückschleppen von Flüchtlingsbooten sei rechtswidrig. Zudem sei die Türkei kein sicherer Drittstaat.