Nach langem Ringen hat sich der Brasilianer Roberto Azevêdo im Rennen um den prominenten Chefposten bei der Welthandelsorganisation (WTO) durchgesetzt. Der US-kritische Karrierediplomat konnte eine klare Mehrheit der 159 WTO-Mitgliedstaaten hinter sich bringen. Offiziell soll das Ergebnis an diesem Mittwoch in Genf mitgeteilt werden.
Im Interesse der Entwicklungsländer
SRF-Wirtschaftsredaktorin Maren Peters sagt, der Brasilianer habe es geschafft, viele Länder hinter sich zu versammeln. China, Russland, Indien, natürlich Brasilien, Südafrika und viele Länder in Lateinamerika, Asien und Afrika haben ihn gewählt. «Ihm hat geholfen, dass er als Diplomat in Genf gegen Agrarsubventionen in westlichen Staaten gekämpft hat. Vor allem gegen Baumwollsubventionen in den USA und Zuckersubventionen in der EU.» Das sei den Interessen der Entwicklungsländer entgegengekommen. Diese wollen ihre Agrarprodukte in der westlichen Welt verkaufen.
Bei der WTO gilt der Grundsatz: Ein Land – eine Stimme. Deshalb ist nicht ins Gewicht gefallen, dass die grossen Handelsblöcke wie die EU und die USA nicht für ihn gestimmt haben.
«Die Chancen stehen gut, dass er die Gräben zwischen den WTO-Ländern schliessen kann», sagt Peters. Allerdings habe Azevêdo ein Handicap: Er hat in der Vergangenheit ein Land vertreten, das die Grenzen gegenüber der Konkurrenz eher abschotten wollte. «In seinem neuen Amt muss er aber für das Gegenteil eintreten. Er muss für freie Märkte kämpfen, und will das auch tun», sagt Peters.
Ein festgefahrenes Erbe
Seinem Vorgänger Pascal Lamy ist es nicht gelungen, die globale Freihandelsrunde zu Ende zu bringen. Diese Aufgabe liegt nun in den Händen Azevêdos. Die Freihandelsrunde, die so genannte Doha-Runde, sei ein Kernziel der WTO, sagt Peters. «Es geht darum, Handelserleichterungen für 159 Mitgliedsländer auszuhandeln. Zölle, Subventionen und andere Handelshürden weiter abzubauen.»
Es ist ein anspruchsvolles Erbe, denn die Verhandlungen sind seit Jahren festgefahren. Die Interessen der einzelnen Länder liegen zu weit auseinander. Die Industrieländer wollen Industrieprodukte verkaufen und die Länder im Süden sind daran interessiert, ihre Agrarprodukte in den Norden zu verkaufen.