Der frühere sowjetische Aussenminister und ehemalige georgische Präsident Eduard Schewardnadse ist tot. Er ist nach langer Krankheit im Alter von 86
Jahren gestorben.
Vor allem den deutschen Politikern wie dem damaligen Bundesaussenminister Genscher ist Eduard Schewardnadse in bester Erinnerung. Denn es war vor allem Schewardnadse, der bei den Verhandlungen über die Wiedervereinigung gegenüber deutschen Anliegen viel Verständnis zeigte. Als etwa bei den Zwei-plus-vier-Gesprächen über die militärische Bündniszugehörigkeit des Terrains der damaligen DDR verhandelt wurde.
Moskaus Staatschef Michail Gorbatschow und Schewardnadse setzten sich damals gegen sehr viel Skepsis aus ihrer eigenen Partei und vor allem auch gegen beträchtlichen Widerstand der damaligen Sowjetgeneräle durch. Und die beiden kamen den deutschen Anliegen stark entgegen.
Schwieriger Akt der Versöhnung
«Es wäre auch völlig falsch gewesen, sich stur gegen die deutsche Wiedervereinigung zu stellen», meinte Schewardnadse, als ich ihn im Frühjahr 2006 in seiner Residenz in Tiflis besuchte. Bedächtig und sorgfältig formulierend schilderte Schewardnadse die damaligen Verhandlungen in Berlin:
«Die Wiedervereinigung Deutschlands war der anspruchsvollste Prozess meiner damaligen diplomatischen Arbeit. Denn noch gestern waren wir Gegner. Stalin kämpfte gegen Hitler, Hitler gegen Stalin. Millionen sind damals ums Leben gekommen. Vor einem solchen Hintergrund von Versöhnung zu sprechen, das war sehr schwierig. Man musste die Menschen überzeugen, dass man nicht auf ewig Feinde bleiben darf.»
Plötzlich Aussenminister
Auf den Regalen seines Empfangszimmers standen viele Fotos. Erinnerungsbilder an Schewardnadses Treffen mit Reagan, mit Bush, dem damaligen deutschen Amtskollegen Genscher, mit Kanzler Kohl oder dem amerikanischen Staatssekretär Baker.
Er sei 1985 sehr zufällig zum sowjetischen Aussenminister gekürt worden, erinnerte Schewardnadse. In ein Amt, das bislang stets von einem ethnischen Russen wie Gromyko wahrgenommen worden sei. Ja, er habe damals, bei seiner Ernennung durch Gorbatschow, ausser kurzen Aufenthalten in Indien oder in der damaligen Tschechoslowakei praktisch über keinerlei Auslanderfahrung verfügt.
«Meine Ernennung zum Aussenminister hat die ganze Welt überrascht. Und ich selbst wusste damals ja nicht einmal, wo sich in Moskau das Gebäude des sowjetischen Aussenministeriums befindet.» Und lachend beschrieb er, wie er sich anfänglich im riesigen Gebäude seines Ministeriums kaum zurechtgefunden habe.
«Für mich war die Perestroika alles»
Der ehemalige sowjetische Aussenminister und spätere georgische Staatspräsident hatte auch eine selbstkritische, ja humorvolle Seite. Trotzdem: Bitter ist ihm in Erinnerung geblieben, wie sich in Moskau der politische Kurs der Öffnung zu verflüchtigen begann.
Das habe er als eine der Ersten erkannt und deshalb sei er Ende 1990 als Zeichen des persönlichen Protests und im Sin ne einer Warnung vorübergehend als Aussenminister zurückgetreten, erklärte der Politiker: «Für mich war die Perestroika alles.» Er habe damals deutlich erkannt, dass die Perestroika und die unter Gorbatschow eingeleitete sanfte Demokratisierung stürben.
«Rosenrevolution» beendete Präsidentschaft
Aber auch in seiner Heimatrepublik Georgien stand Schewardnadse ein paar Jahre später vor einem politischen Scherbenhaufen. 1992 war er zum neuen georgischen Staatspräsidenten gekürt worden – illegal, wie er selbst eingestand. Er habe das Amt nur deshalb angenommen, weil er Georgien und die Georgier habe retten wollen.
Doch die Korruption in seinem Regierungsapparat nahm damals immer groteskere Züge an. 2003 jagte die georgische «Rosenrevolution» Schewardnadse aus dem Amt. Doch Schewardnadse wäre nicht Schewardnadse gewesen, hätte er ein paar Jahre später nicht auch für seine damaligen politischen Gegner, für die damalige Regierung unter Präsident Saakaschwili, auch anerkennende Worte gefunden:
«Eine Regierung, die vom Volk gewählt worden ist, kann doch gar nicht nur Schlechtes tun! Die haben viel Nützliches gemacht, aber es ist auch der neuen Regierung noch nicht gelungen, alle Probleme zu lösen», sagte Schewardnadse und betonte, dass sich allgemein in Georgien in Etappen viel verbessert habe.
Letzte Jahre in Tiflis
Seine letzten Lebensjahre verbrachte Schewardnadse zurückgezogen in seiner Residenz über Tiflis, wo er am Montag nach langer Krankheit starb. Was er zurücklässt, ist wohl vor allem die Erinnerung an ein konstruktives aufeinander Zugehen und die Erinnerung an die Überwindung des Kalten Krieges, an der er ganz massgeblich mitbeteiligt war.