Eines haben die beiden Frauen gemeinsam: Ihre Jugend und ein Grossteil ihres Lebens wurde vom Krieg bestimmt. Bloss: Sie standen auf gegnerischen Seiten. Wimala Wyjesinghe, in deren Wohnzimmer Räucherstäbchen vor einer Buddha Figur brennen, gehört der singhalesischen Bevölkerungsmehrheit an. Ihr Mann trat nach Schulabschluss der Armee bei, um gegen die Tamil Tigers zu kämpfen. In ihrer eineinhalbjährigen Ehe sah sie ihn nur wenige Monate. Mit 29 Jahren wurde er getötet.
Kanchanadevi hingegen war 13 Jahre alt, als sie von den Tamil Tigers zwangsrekrutiert wurde. Nach einem kurzen Waffentraining war sie es, die Raketen auf die Stellungen der Regierungssoldaten abfeuerte. «Wir wollten unseren eigenen Staat, und wir wollten unsere Leute vor den Misshandlungen durch die Regierungssoldaten beschützen.» Deshalb habe sie sieben Jahre lang gekämpft. Als ihr erstes Kind zur Welt kam, habe sie aber nicht mehr kämpfen wollen.
Zwei Frauen, zwei Sprachen, zwei Welten
Wimala und Kanchanadevi wohnen nur sechs Autofahrstunden voneinander entfernt, doch immer noch trennen sie Welten. Würden sie sich treffen, könnten sie nicht mit einander kommunizieren, weil sie eine andere Sprache sprechen.
Die zierliche Wimala wird als Kriegswitwe geachtet und erhält weiterhin den Lohn ihres Mannes als Rente. Sie hat sich ein hübsches Haus gebaut. Jedes Jahr nimmt sie an einem Marsch Teil, der an die gefallenen Soldaten erinnert. «Dank Leuten wie meinem Mann ist der Krieg vorbei. Dafür respektiere ich auch unseren früheren Präsidenten, Mahinda Rajapaksa.» Dieser habe Friede gebracht.
40'000 tamilische Zivilisten kamen laut Schätzungen der Vereinten Nationen in den letzten Kriegswochen ums Leben. Im Mai 2009 war der Krieg nach mehr als 25 Jahren zu Ende. Kein Armeevertreter und kein Politiker musste sich bislang für mögliche Kriegsverbrechen verantworten.
Mahinda Rajapaksa will nun als Parlamentsabgeordneter zurück in die Politik, und als Ministerpräsident zurück an die Macht. Viele der ehemaligen Kämpfer der Tamil Tigers bleiben weiterhin verschollen oder wurden monatelang verhört und werden noch heute überwacht.
Mitgefühl statt Wut
Die ehemalige Kämpferin Kanchanadevi musste im Krieg aus ihrem Dorf fliehen und wohnt nun in einer Wellblechhütte an der Ostküste des Landes. Ihr Mann arbeitet in Katar in einer Reinigungsfirma. Was sie über Mahinda Rajapaksa denkt, will sie nicht sagen. Ständig auf der Hut sein, nicht zu viel preisgeben, das scheint die ehemalige Kämpferin auch in friedlichen Zeiten verinnerlicht zu haben. Und trotzdem sagt sie: «Ich habe für ein besseres Leben gekämpft. Heute herrscht Friede und man lässt mich in Ruhe.» Seit Sirisena Präsidentschaft habe sie als Kriegsgeschädigte sogar Geld bekommen, um ein Haus zu bauen.
Kanchanadevi, eine sportliche junge Frau mit langem schwarzen Haar, zeigt auf ein Backsteinhaus im Rohbau. Als junge Kämpferin wurde sie von Granatsplittern getroffen und hat seither Schwierigkeiten zu gehen. Doch nicht Wut, sondern Mitgefühl äussert sie heute für ihre ehemaligen Feinde und deren Frauen. Frauen wie Wimala. Diese blieb kinderlos. Kanchanadevi aber hält das kleinste ihrer drei Kinder auf dem Schoss.
Heute wolle wir alle dasselbe: Ein Land, in dem alle, egal ob Singhalesen oder Tamilen, in Frieden zusammen leben können.
19 Jahre sind vergangen, seit Wimalas Mann von den Tamil Tigers erschossen wurde. Doch noch heute wischt sie sich die Tränen ab, wenn sie durch das Fotoalbum vom Begräbnis blättert. Ihr Schmerz sei derselbe, wie jener vieler tamilischer Frauen, glaubt sie. «Aber heute wolle wir alle dasselbe: Ein Land, in dem alle, egal ob Singhalesen oder Tamilen, in Frieden zusammen leben können.»
Die Kriegswitwe glaubt, dass dieser Friede durch den ehemaligen Kriegstreiber Rajapaksa gesichert werden kann. Deshalb will sie für ihn und seine Partei stimmen. Die meisten Tamilen glauben das nicht. Sie werden wohl am Montag die Entscheidungen über die Zukunft Sri Lankas anderen Parteirn anvertrauen.