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Ein Hubschrauber versprüht Pflanzenschutzmittel über einer Avocado-Plantage in Kalifornien.
Legende: Der Einsatz von Pestiziden ist in den USA und der EU unterschiedlich geregelt – das sorgt für Unmut. Keystone

International Gefährliche Tücken des transatlantischen Freihandels

Die EU und die USA planen den grössten zollfreien Wirtschaftsraum der Welt. Dafür braucht es gemeinsame Nenner, etwa bei der Zulassung von Pflanzenschutzmitteln. In der EU verboten, könnte das Syngenta-Pestizid Atrazin ein zweifelhaftes Comeback feiern – auch in der Schweiz.

Das Pflanzenschutzmittel Atrazin ist in den USA weit verbreitet: Es wird auf 70 Prozent der Maisfelder gespritzt. In der Europäischen Union ist es verboten. Das Pestizid wird von der Schweizer Firma Syngenta hergestellt. Es zeigt, wie gross die Kluft zwischen den USA und Europa ist, wenn es um die Zulassung chemischer Substanzen geht.

Steve Suppan von der Nichtregierungsorganisation Institute for Agriculture and Trade Policy erklärt: «In Europa lässt das Vorsorgeprinzip zu, dass eine chemische Substanz im Zweifelsfall als zu gefährlich eingestuft und verboten wird.» In den USA wird sie hingegen im Zweifelsfall zugelassen – versehen mit einer Maximaldosis, bis zu der die Gefahr als akzeptabel gilt.

Der US-Ansatz ist realistischer, denn er zieht in Betracht, welche Menge der Substanz effektiv in der Umwelt sein wird.
Autor: Janet Collins US-Agrarlobby Croplife America

Dieser bürokratisch anmutende Unterschied kostet die US-Agrarindustrie einen Haufen Geld: Neben Atrazin gibt es eine Liste von rund 80 weiteren Substanzen, die das hormonelle System verändern können und in der EU verboten sind. Landwirtschaftserzeugnisse, die Spuren dieser Substanzen enthalten, dürfen nicht in den EU-Raum exportiert werden.

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Knackpunkt Freihandel USA-EU
aus Rendez-vous vom 22.05.2015. Bild: Reuters
abspielen. Laufzeit 5 Minuten 14 Sekunden.

Die Agrarlobbyorganisation Croplife America schätzt die Einbussen auf vier Milliarden Dollar jährlich, was rund 40 Prozent des transatlantischen Handels mit Agrargütern entspricht. Croplife America setzt sich dafür ein, dass sich die EU bei einem Freihandelsvertrag an das US-amerikanische System anpasst, wie sie in einem Strategiepapier gemeinsam mit dem europäischen Agrarlobbyverband darlegt.

Collins von Croplife America sagt: «Der US-Ansatz ist realistischer, denn er zieht in Betracht, welche Menge der Substanz effektiv in der Umwelt sein wird. Anstatt von den potenziellen Schäden einer hundertprozentigen Dosis auszugehen.»

Atrazin wirkt sich auf die Fruchtbarkeit aus und führt zu Geburtsdefekten.
Autor: Tyrone Hayes Biologe an der Universität Berkeley

Folgen für die Schweiz

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Werden sich USA und EU einig, entsteht ein Wirtschaftsraum mit mehr als 800 Millionen Menschen. Von dem Wirtschaftskoloss wäre auch die Schweiz betroffen. Eine vom Seco in Auftrag gegebene Studie schliesst, dass ein umfassendes Abkommen zu einem Zuwachs von bis zu 2,9 Prozent beim Schweizer BIP und neuen globalen Produktionsstandards führen könnte.

Viele in der EU verbotene Pflanzenschutzmittel sind aber auch in den USA umstritten: Untersuchungen haben gezeigt, dass Atrazin bei Fröschen zu Geschlechtsumwandlungen führen kann. Der Wissenschaftler Tyrone Hayes von der Universität Berkeley hat dies nachgewiesen: «Atrazin wirkt sich auf die Fruchtbarkeit aus und führt zu Geburtsdefekten», mahnt der Biologie. Die Studie, die Hayes mit 22 weiteren Forschern aus zwölf Ländern publizierte, dokumentiere die Auswirkungen auf Amphibien, Säugetiere und auch Menschen.

Wasserversorger aus dem Mittleren Westen der USA klagten gegen Syngenta. Sie sagten, Atrazin habe ihr Wasser verunreinigt. Die Firma zahlte ihnen 2012 in einem Vergleich 100 Millionen Dollar. Im Rahmen des Gerichtsfalles musste Syngenta interne Dokumente freigeben. Sie zeigten, wie Syngenta versuchte, den Atrazin-kritischen Wissenschaftler Hayes persönlich zu diskreditieren.

Übers Freihandelsabkommen nach Europa?

Nun konzentriert sich die Lobby der Pflanzenschutzmittelkonzerne beidseits des Atlantiks auf das Handelsabkommen. Um den freien Handel zu ermöglichen, müssen gleiche Regeln gelten, oder zumindest die Zulassung von Substanzen gegenseitig anerkannt werden. Die Agrarindustrie hofft, über diesen Vertrag Pflanzenschutzmittel wie Atrazin sowie die Feldfrüchte, die mit ihnen behandelt wurden, auch in der EU verkaufen zu können. Der US-Handelsdelegierte vertritt ihre Interessen.

Wie die EU auf diesen Wunsch reagiert, ist nicht bekannt: Die Verhandlungen sind geheim. Doch interne Papiere der EU-Kommission sind über Wikileaks an die Öffentlichkeit gelangt. Die Naturschutzorganisation Center for International Environmental Law in Washington wertete diese Dokumente aus und warnte in einer Studie, dass die USA und Europa beim Gesundheits- und Umweltschutz den kleinsten gemeinsamen Nenner anstrebten.

Eine Koalition von NGOs schickte diese Woche einen Brief ans EU-Parlament. Sie kritisiert, dass die USA die Freihandelsdiskussionen benutzten, um die strengeren europäischen Regeln bei Chemikalien als Handelshemmnisse zu brandmarken. Noch dieses Jahr möchten die USA und die EU die Verhandlungen über ein transatlantisches Freihandelsabkommen abschliessen.

Etappensieg für Obama im US-Senat

US-Präsident Barack Obama hat in seinem Bemühen um geplante Handelsabkommen mit pazifischen Staaten und der EU einen Etappenerfolg erzielt. Der Senat in Washington liess ein Gesetz zur Abstimmung zu, das den Abschluss der Vorhaben beschleunigen würde. Das als «Fast Track» (Überholspur) bezeichnete Gesetz würde dem Weissen Haus in den kommenden sechs Jahren weitreichenden Spielraum bei den Verhandlungen einräumen. Der Kongress könnte ein Abkommen annehmen oder ablehnen, aber nicht inhaltlich mitbestimmen. Die USA hoffen, bald ein Handelsabkommen mit Staaten im Pazifikraum (TPP) abzuschliessen. Zudem verhandeln sie mit der EU über das als vor allem in Europa umstrittene Freihandelsabkommen TTIP. Die «Fast Track«-Befugnis für Präsidenten (TPA) war 2007 ausgelaufen und seitdem nicht mehr erneuert worden. Sollte der Senat das Gesetz beschliessen, was nun als sehr wahrscheinlich gilt, müsste aber auch noch das Repräsentantenhaus zustimmen.(dpa)
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