Im Vorfeld der Afghanistan-Konferenz in Brüssel war durch eine Indiskretion bekannt geworden, dass die EU und Afghanistan erst vor wenigen Tagen eine Vereinbarung unterzeichnet haben, die eine Kooperation bei der Rückführung von Flüchtlingen vorsieht.
Dass das Abkommen öffentlich wurde, scheint die EU-Aussenbeauftragte Federica Mogherini zu stören. Sie betonte vor der heutigen Konferenz hörbar genervt, dass es bei der EU «niemals» eine Verbindung gebe zwischen Finanzhilfe und der Bereitschaft Afghanistans, Flüchtlinge zurückzunehmen. Die Flüchtlingsfrage sei kein Thema der Konferenz.
«Wirtschaftsflüchtlinge» zurücknehmen
Doch so klar, wie das klingt, ist es nicht. Denn nur wenig später verknüpfte der Präsident des Europäischen Rates, Donald Tusk, die beiden Themen bei der Eröffnungszeremonie höchstselbst miteinander. Er betonte, Länder wie Afghanistan nähmen oftmals selber viele Flüchtlinge auf. Die EU unterstütze sie dabei und erwarte dafür auch keine Dankbarkeit. Allerdings erwarte die EU, dass auch Afghanistan so genannte Wirtschaftsflüchtlinge zurücknehme.
Zudem ist in einem geheimen Dokument der EU, das vor wenigen Tagen öffentlich wurde, zu lesen, «die Konferenz sollte als Anreiz genutzt werden für die Umsetzung der Rückübernahmevereinbarung».
Seit Anfang 2015 haben mehrere hunderttausend afghanische Flüchtlinge die EU erreicht. Diejenigen, die kein Recht auf Asyl haben, sollen nun so rasch wie möglich wieder zurückgeschickt werden. Es ist die Rede von bis zu 80'000 Personen.
Kritik von Hilfsorganisationen
Für Flüchtlingsorganisationen und linke EU-Parlamentarier ist das ein Skandal. Die Sicherheitslage in Afghanistan sei prekär, betonen sie. Hilfsorganisationen verliessen Afghanistan, und selbst das deutsche Aussenministerium sage, dass die Taliban seit Jahren wieder auf dem Vormarsch seien, betont die Grünen-Politikerin Barbara Lochbihler.
Man müsse diese Tatsachen bei der Beurteilung von Rückschaffungen doch berücksichtigen. Man dürfe die Flüchtlinge nicht bloss deshalb nach Afghanistan abschieben, weil man sage, man habe zu viele Flüchtlinge, so Lochbihler weiter.
Die Rückführung von abgewiesenen Flüchtlingen gestaltet sich in der Praxis oftmals sehr kompliziert. So muss sich trotz des erklärten politischem Willens beider Seiten erst noch weisen, ob die EU auch wirklich im gewünschten Ausmass Menschen aus Afghanistan zurück in ihre Heimat schicken kann.