Dezenter Anzug, graue, gescheitelte Haare. So sieht ein Drachentöter aus, wenn seine Waffen die Gesetzesparagraphen sind. Anwalt Gary Reback geht es nicht wirklich um die Riesen, sondern um all die Zwerge, die in Gefahr sind: «Wenn eine Firma zu mächtig wird, bremst das die Innovation.»
Sein Kampf gegen Microsoft in den 90-er Jahren führte dazu, dass Google gross werden konnte. Denn Microsoft durfte die eigene Suchmaschine nicht mehr bevorzugen. Nun sei Google mit 68 Prozent Marktanteil in den USA zu gross und zu mächtig geworden, sagt der 66-jährige Kartellexperte.
Mit negativen Folgen: Bei den Suchmaschinen gebe es keinen Wettbewerb mehrt, doch die Kartellbehörde unternehme nichts: «Es ist nicht nachvollziehbar, dass Google mit Youtoube die zweitgrösste Suchmaschine der Welt kaufen durfte.»
Die USA werden unter dieser Regierung nicht gegen Google vorgehen und vielleicht gar nie.
Ebenso wenig versteht er, dass Facebook den SMS-Dienst Whatsapp schlucken durfte, ohne dass die Behörden eingriffen: «So schalten die Firmen potenzielle Konkurrenten aus. Das sei eine Gefahr für die Innovation im Silicon Valley.»
Von den US-Kartellbehörden erwartet Reback nichts mehr. Google sei einer der allergrössten Wahlspender in den USA. Deren Verwaltungsratspräsident Eric Schmitt habe persönlich in der Wahlkampfzentrale gearbeitet, um die Wiederwahl Obamas zu sichern: «Die USA werden unter dieser Regierung nicht gegen Google vorgehen und vielleicht gar nie», bedauert Reback.
Europa zu 90 Prozent in Google-Hand
Der Kartellrechtler schaut deshalb nach Europ. Die Europäische Kommission eröffnete im April ein Verfahren gegen Google wegen unfairem Wettbewerb. Der Vorwurf: Der Internetkonzern führt in der Suchmaschine eigene Produkte oder Dienste prominenter auf und benachteiligt damit andere Firmen. Google hat in Europa einen Suchmaschinen-Marktanteil von 90 Prozent.
Reback reist nun häufiger nach Brüssel und vertritt kleinere US-Firmen im europäischen Fall gegen Google. Etwa die Firma Disconnect, deren Software das «Tracking», das Verfolgen von Bewegungen im Internet, stoppt. Denn Google blockiert diese Anwendung auf dem Mobilbetriebssystem Android.
Das sei nicht nur aus wettbewerbsrechtlichen Gründen fragwürdig, erklärt Reback: «Google verfolgt die Bewegungen aller Menschen im Internet, legt über sie ein Profil an, und wir wissen nicht, was der Konzern damit tut.» Der Internetriese habe ein derart grosses Wissen über so viele Menschen, dass er eine Gefahr für die Demokratie werden könne.
Der Internetriese weiss so viel über so viele Menschen, dass er zur Gefahr für die Demokratie werden kann.
Nicht nur Reback warnt vor dieser Entwicklung: «Es gibt neue akademische Studien, die besagen, dass Google mit der Manipulation von Suchfunktionen Wahlen beeinflussen kann. Das macht Angst.» Die Studien zeigen, dass Kandidaten eher gewählt werden, wenn sie bei der Internetsuche systematisch weiter oben in der Liste geführt werden. Google selbst behauptet, so etwas würde der Konzern nie tun.
Hoffen auf Beschränkungen in der EU
«Absolute Macht korrumpiert absolut, sagt Reback dazu skeptisch: «Angenommen ein Grosskonzern weiss, wie die Menschen abstimmen – würde er dann denjenigen Kandidaten unterstützen, der das Unternehmen aufteilen will?»
In den USA beunruhige die enorme Machtposition von Google offenbar nur wenig Menschen, stellt Reback fest. Er hofft, dass Europa dies anders sieht und Google zwingt, der Konkurrenz mehr Raum zu lassen. Die Zeit dränge: «Je länger man tatenlos zusieht, desto mehr Jungfirmen werden verdrängt. Ein Entscheid der Europäischen Union hätte Signalwirkung – weltweit!»