Beidseits der Hauptverkehrsachsen von Arish nach Gaza und ins Innere des Sinais stehe kaum mehr ein Olivenbaum, sagt Mohammed Sabry. Er ist Journalist in El Arish, der Hauptstadt des Nordsinai. Die Armee habe die Bäume umgestossen, um zu verhindern, dass sie von Jihadisten als Deckung für Granatangriffe auf Militärkonvois gebraucht werden.
Immer wenn die Armee zu einer neuen Operation aufbreche, störe sie das Netz, sagt Mohammed. Sie beargwöhne jeden Privatwagen und beschiesse Verdächtige ohne Zögern. Die Aufständischen ihrerseits nähmen Armeefahrzeuge ins Visier, so Sabry.
Wegen den unsicheren Transportwege und langen Ausgangssperren kämen viele Lieferanten nicht mehr in das periphere Gebiet. Wirtschaft und Handel lägen darnieder, sagt Mohammed.
Uneinigkeit über die Identität der Kämpfer
Die Armee stellt ihren Einsatz als Kampf dar – gegen Verbündete des gestürzten Präsidenten und Muslimbruders Mohammed Mursi. Sie betitelt beide Gruppen – Muslimbrüder und Jihadisten – seit dem Sturz Mursis als Terroristen.
Emad Gad ist stellvertretender Direktor des regierungsnahen Strategiezentrums Al Ahram in Kairo. Er sagt, die radikalen Islamisten hätten sich aus der Bewegung der Muslimbrüder heraus entwickelt. Die Muslimbrüder seien deshalb die Quelle des gesamten islamistischen Terrorismus.
Der Journalist Mohammed bleibt skeptisch. Er kann diesen klaren Zusammenhang zwischen den bewaffneten Islamisten im Sinai und der politischen Bewegung der Muslimbrüder nicht erkennen.
Zwar gebe es direkte Verbindungen. Aber die bestünden zwischen den Muslimbrüdern und der ideologisch eng verwandten palästinensischen Hamas, die den benachbarten Gazastreifen kontrolliert. Es gehe um kommerzielle Interessen: Mohammed spricht vom Waffenschmuggel in den Gazastreifen.
Mubarak hatte Beduinen vernachlässigt
Schlomo Brom verfolgt die Lage von der anderen Seite der Grenze. Der Experte am Institut für nationale Sicherheitsstudien in Tel Aviv war früher strategischer Planungschef der israelischen Armee. Auch er plädiert für den differenzierten Blick. Die Geschichte werde stets von den Siegern geschrieben. Und das neue Regime in Kairo mache die Muslimbrüder nun für alle Übel verantwortlich.
Zwar hätten die Muslimbrüder die Nähe zur Hamas im Gazastreifen gesucht. Doch die Schmuggeltunnels in das Palästinensergebiet seien viel früher entstanden: Unter dem ägyptischen Langzeitherrscher Hosni Mubarak.
Mubarak sei verantwortlich, dass in dem Beduinengebiet überhaupt erst der Nährboden für Kriminalität und Extremismus wuchs. Er habe den Sinai vernachlässigt. Den Beduinen fehle schlicht eine Alternative zur kriminellen Wirtschaft, sagt Brom. Dafür bezahle Ägypten nun den Preis. Neu sei, dass das Land das erkannt habe und sich bemühe, das Sicherheitsvakuum zu füllen.
Ägyptische Armee auf dem Vormarsch
Imad Gad vom Ahram Zentrum für politische und strategische Studien in Kairo gibt sich optimistisch: Die ägyptische Armee werde bis in drei Monaten den gesamten Norden des Sinais der Herrschaft der Gotteskrieger und Banditen entrissen haben. Die Generäle hätten auch erkannt, dass sie den Beduinen Perspektiven bieten müssten.
Der Journalist Sabry wagt keine Prognose. Noch ist der Norden des Sinais geprägt von der Gewalt. Und noch hat die lokale Bevölkerung aus dem fernen Kairo nur die Repression gesehen.