International - «Griechen wählen das Linksbündnis aus Wut und Trotz»
In vier Tagen wählt Griechenland ein neues Parlament. Laut einer Umfrage liegt das Linksbündnis Syriza von Alexis Tsipras vorne. Viele Griechen wollen der Regierung einen Denkzettel verpassen, sagt Korrespondent Werner van Gent. Gewinne Syriza, sei die Zukunft Griechenlands völlig ungewiss.
Werner van Gent: Die Krise ist nach wie vor omnipräsent. Die Lage hat sich aus Sicht der Bevölkerung nicht gebessert. Makroökonomisch hat sich zwar einiges getan. Doch diese Verbesserungen sind nicht bei der Bevölkerung angekommen. Nach wie vor sind 60 Prozent der Jungen arbeitslos.
Was sind ihre drängendsten Probleme?
Ganz klar die Arbeitslosigkeit. Auch die Renten sind sehr stark gekürzt worden. Mit 300 bis 400 Euro pro Monat kommen die Menschen kaum durch. Viele werden von ihren Familien unterstützt.
Ein Viertel der Wirtschaftsleistung ist eingebrochen. Die Politiker versprechen zwar dauernd, dass sich die Lage bald bessern wird. Doch die Griechen glauben nicht mehr daran. Sie fühlen sich gedemütigt und zermürbt vom vierjährigen Sparkurs und haben keine Geduld mehr.
Troika
Box aufklappenBox zuklappen
Seit der Eurokrise verhandelt das Trio aus EU-Kommission, Europäischer Zentralbank und Internationalem Währungsfonds mit Euro-Mitgliedsländern, deren Staatshaushalt in finanzielle Schieflange geraden ist.
Sind sie auch wütend auf Europa?
Für die Wähler des Linksbündnisses Syriza ist die Troika ein Feindbegriff. Natürlich wissen die Griechen, dass sie selbst Schuld sind an der Auslösung der Krise. Doch die Vorschriften der Troika werden als grosser Druck empfunden. Die Leute fordern, dass die Regierung von Antonis Samaras bessere Bedingungen aushandelt für die Verschuldung des Landes.
Wie werden die Griechen am Sonntag wählen?
Viele werden für die Syriza von Alexis Tsipras stimmen. Ich sehe das als Versuch eines Befreiungsschlages. «Noch schlechter kann es uns nicht gehen», denken viele. Doch nach meiner persönlichen Einschätzung kann es in der Tat noch schlimmer kommen. Das möchte ich nicht in Griechenland sehen.
Box aufklappenBox zuklappen
Laut einer aktuellen Umfrage werden 31,2 % der Wähler für Syriza stimmen. Die Nea Dimokratia der Regierung käme auf 27 %.
Doch viele werden die Regierungspartei Nea Dimokratia wählen. Sie fürchten sich vor einem möglichen Chaos, wenn Syriza gewinnt. Denn das Linksbündnis ist geprägt von verschiedenen Strömungen ohne Regierungserfahrung.
Dann gibt es noch die kleine Bewegung Potami, was «Fluss» heisst. Diese Bewegung versucht, Reformkräfte zu sammeln. Es kann sein, dass sie bei den Wahlen am Sonntag das Zünglein an der Waage spielen wird. Sie will die gesellschaftliche Veränderung und Modernisierung Griechenlands vorantreiben.
Werner van Gent
Box aufklappenBox zuklappen
Werner van Gent ist freischaffender Korrespondent und lebt seit 1979 in Athen. Der gebürtige Niederländer ist heute auch als Reiseleiter und Buchautor tätig.
Warum ist der Zulauf zum Linksbündnis so gross?
Die Regierung hat versucht, der Bevölkerung Angst einzujagen. «Wenn ihr Syriza wählt, bricht alles zusammen, und wir müssen aus dem Euro raus», sagte sie. Doch diese Angstmache hat nicht gewirkt. Die Leute glauben der Regierung nicht. Aus meiner Sicht hat die Regierung mit ihrer Bürokratie und Vetternwirtschaft in den letzten Monaten versagt.
Die Griechen wählen das Linksbündnis aus Wut und Trotz. Mit dem Linksbündnis werde alles anders, hoffen sie. Doch das Versprechen einer Änderung ist eine sehr gefährliche Sache. Denn die Rahmenbedingungen werden von aussen gesetzt, von den Geldgebern, der Troika, und nicht von der Regierung.
Wie lautet Ihre Prognose zum Wahlergebnis?
Ob die Partei von Alexis Tsipras tatsächlich ausreichend Stimmen erhält für eine regierungsfähige Mehrheit, ist unklar. Ich persönlich schätze diese Chance auf etwa 25 Prozent.
03:31
Video
Griechenland: Hoffnung und Resignation
Aus 10 vor 10 vom 20.01.2015.
abspielen. Laufzeit 3 Minuten 31 Sekunden.
Was in diesem Fall passieren würde, ist völlig unklar. Die Syriza hat ihre Position zwar gemässigt: Sie weiss, dass sie verhandeln muss und der Spielraum sehr klein ist. Sie wird versuchen, das Gesicht zu wahren. Doch es könnte auch etwas völlig schief laufen und Griechenland aus der Eurozone ausgeschlossen werden.
Wollen die Griechen denn einen Austritt aus der Eurozone?
Zwei Drittel der Bevölkerung sprechen sich klar für den Verbleib in der Eurozone aus. Eigentlich will niemand, der es sich genau überlegt, einen Austritt.
Das Gespräch führte Viviane Bühr.
Wahlen in Griechenland: Die wichtigsten Parteien
1 / 8
Legende:
Nea Dimokratia (ND):
Die von Antonis Samaras (Bild) geführte konservative Partei spricht sich für den Verbleib des Landes in der Eurozone aus. Die ND hatte die Wahlen 2012 gewonnen und regiert zusammen mit den Sozialisten. Samaras hält am Sparprogramm fest, tritt angesichts der dramatischen Verschlechterung der sozialen Lage vieler Griechen aber für eine Lockerung ein.
Reuters
2 / 8
Legende:
Bündnis der Radikalen Linken (Syriza):
Die Partei von Alexis Tsipras (Bild) ist der klare Favorit. In allen Umfragen führt sie das Rennen um die Gunst der Wähler. Syriza ist ein Sammelbecken linker Bewegungen. Sie fordert einen Schuldenschnitt und will die Privatisierungen stoppen, ist zugleich für den Verbleib Griechenlands in der EU und in der Eurozone.
Keystone
3 / 8
Legende:
Der Fluss (To Potami):
Demoskopen sehen die 2014 gegründete pro-europäische Partei der politischen Mitte als drittstärkste Kraft. In ihren Reihen finden sich zahlreiche Technokraten, Uni-Professoren und Journalisten. Auch ihr Chef Stavros Theodorakis (Bild) ist Journalist. Die Partei fordert die Zusammenarbeit der politischen Kräfte, um aus der Krise herauszukommen.
Reuters
4 / 8
Legende:
Goldene Morgenröte (XA):
Die rassistische und ausländerfeindliche Partei will alle Migranten aus Griechenland «vertreiben». Viele ihrer Mitglieder gelten als gewaltbereit. Ihre Führung «ekelt sich» nach den Worten ihres Vorsitzenden Nikolaos Michaloliakos (Bild) vor dem Parlament. Umfragen sehen die Ultrarechten bei rund 5 %.
Keystone
5 / 8
Legende:
Kommunistische Partei Griechenlands (KKE):
Die Hardliner-Kommunisten sprechen sich offen für einen Austritt Griechenlands aus der Eurozone und der EU aus. Kein Cent solle an die Gläubiger gezahlt werden. Die älteste politische Partei Griechenlands liegt in Umfragen bei etwa 4,5 %. Dimitris Koutsoumbas (Bild) ist seit April 2013 Generalsekretär der KKE.
imago
6 / 8
Legende:
Panhellenische Sozialistische Bewegung (Pasok):
Die Partei der Sozialisten hatte die Wahlen 2009 noch mit 44 Prozent gewonnen. 2010 bat sie den IWF und die Euroland-Partner um Hilfe. Die Pasok ist für den Verbleib Griechenlands in der Eurozone. Parteichef Evangelos Venizelos (Bild) schliesst eine Kooperation mit dem Linksbündnis nicht aus, sollte dieses die absolute Mehrheit verfehlen.
Reuters
7 / 8
Legende:
Bewegung der Demokraten und Sozialisten (Kidiso):
Die Partei wurde Anfang des Jahres vom ehemaligen Pasok-Präsidenten Giorgos Papandreou (Bild) gegründet. Der Ex-Regierungschef (2009-2011) trennte sich von der Pasok, die sein Vater Andreas Papandreou 1974 gegründet hatte. Für die Kidiso wird es knapp: Umfragen deuten darauf hin, dass sie den Einzug ins Parlament verpassen könnte.
Reuters
8 / 8
Legende:
Unabhängige Griechen (AE):
Die Führung der rechtspopulistischen Partei, einer Abspaltung der konservativen Nea Dimokratia, sieht das Land «besetzt» von den Geldgebern. Daher müsse Griechenland «befreit» werden. Athen sollte nichts an die Banken zurückzahlen. Laut Umfragen muss die Partei unter der Führung von Panos Kammenos (Bild) um den Wiedereinzug ins Parlament zittern.
Reuters
Erhalten Sie alle News-Highlights direkt per Browser-Push und bleiben Sie immer auf dem Laufenden. Mehr
Push-Benachrichtigungen sind kurze Hinweise auf Ihrem Bildschirm mit den wichtigsten Nachrichten - unabhängig davon, ob srf.ch gerade geöffnet ist oder nicht.
Klicken Sie auf einen der Hinweise, so gelangen Sie zum entsprechenden Artikel. Sie können diese Mitteilungen jederzeit wieder deaktivieren. Weniger
Sie haben diesen Hinweis zur Aktivierung von Browser-Push-Mitteilungen bereits mehrfach ausgeblendet. Wollen Sie diesen Hinweis permanent ausblenden oder in einigen Wochen nochmals daran erinnert werden?
Meistgelesene Artikel
Nach links scrollenNach rechts scrollen
Social Login
Für die Registrierung benötigen wir zusätzliche Angaben zu Ihrer Person.
Die maximale Anzahl an Codes für die angegebene Nummer ist erreicht. Es können keine weiteren Codes erstellt werden.
Mobilnummer ändern
An diese Nummer senden wir Ihnen einen Aktivierungscode.
Diese Mobilnummer wird bereits verwendet
E-Mail bestätigen
Wir haben Ihnen ein E-Mail an die Adresse {* emailAddressData *} gesendet. Prüfen Sie bitte Ihr E-Mail-Postfach und bestätigen Sie Ihren Account über den erhaltenen Aktivierungslink.
Keine Nachricht erhalten?
Wenn Sie nach 10 Minuten kein E-Mail erhalten haben, prüfen Sie bitte Ihren SPAM-Ordner und die Angabe Ihrer E-Mail-Adresse.
Wir haben Ihnen ein E-Mail an die Adresse {* emailAddressData *} gesendet. Prüfen Sie bitte Ihr E-Mail-Postfach und bestätigen Sie Ihren Account über den erhaltenen Aktivierungslink.
Keine Nachricht erhalten?
Wenn Sie nach 10 Minuten kein E-Mail erhalten haben, prüfen Sie bitte Ihren SPAM-Ordner und die Angabe Ihrer E-Mail-Adresse.
Sie können sich nun im Artikel mit Ihrem neuen Passwort anmelden.
Ein neues Passwort erstellen
Wir haben den Code zum Passwort neusetzen nicht erkannt. Bitte geben Sie Ihre E-Mail-Adresse erneut ein, damit wir Ihnen einen neuen Link zuschicken können.
Ihr Account wurde deaktiviert und kann nicht weiter verwendet werden.
Wenn Sie sich erneut für die Kommentarfunktion registrieren möchten, melden Sie sich bitte beim Kundendienst von SRF.