Alexis Tsipras legte der deutschen Bundeskanzlerin Angela Merkel in einem Telefongespräch dar, wie er die Lösung der Schuldenkrise sieht und welche neuen Vorschläge er macht.
Zudem telefonierte der griechische Premierminister mit Frankreichs Staatspräsident François Hollande und EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker, wie es in einer Erklärung der Regierung in Athen heisst. Dem Vernehmen nach soll Tsipras Zugeständnisse bei der Mehrwertsteuer und dem Rentenalter gemacht haben.
Laut SRF-Korrespondent Werner van Gent geht es um die Anhebung des reduzierten Mehrwertsteuersatzes für die griechischen Touristeninseln sowie um die Abschaffung der Frühpensionierung. Fraglich bleibe aber, ob dies für eine Einigung ausreiche.
Schäuble bleibt hart
Der deutsche Finanzminister Wolfgang Schäuble forderte erneut Reformen im hoch verschuldeten Griechenland. Sie seien Voraussetzung für einen Erfolg der Stabilisierungspolitik, wiederholt er die deutsche Position im Schuldendrama.
«Wo in Europa Reformen nicht nur beschlossen, sondern auch umgesetzt worden sind, hat unsere Stabilisierungspolitik in den letzten Jahren funktioniert», so Schäuble. Dies sei in Irland geschehen, in Portugal, Zypern, Spanien «und in Griechenland auch, solange dort Reformen umgesetzt worden sind».
Kabinettssitzung am Sonntag
Am Sonntagmittag berief Ministerpräsident Alexis Tsipras eine Kabinettssitzung ein. Dabei hat er seine Minister über die Positionen Athens unterrichten. Tausende Menschen demonstrierten am Sonntagabend vor dem Parlamentsgebäude in Athen gegen die Sparpolitik und für eine harte Haltung gegenüber den Gläubiger-Ländern. Einzelne Teilnehmer riefen zum Austritt Griechenlands aus der Eurozone auf.
Bericht spricht von Haushaltsloch
Derweil dementierte der Chef der grössten griechischen Rentenkasse Berichte,
wonach Griechenland zum Monatswechsel die Löhne und die Renten nicht in voller Höhe zahlen kann. Wegen stark gesunkener Steuereinnahmen dürften Athen bis zum Monatsende bis zu 3,6 Milliarden Euro fehlen. Dies berichtete die «Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung» unter Berufung auf interne Berechnungen der internationalen Geldgeber.
Griechenland verhandelt seit Monaten mit den Geldgebern über die Bedingungen zur Auszahlung ausstehender Finanzhilfen von 7,2 Milliarden Euro. Ausserdem muss Athen bis zum 30. Juni 1,6 Milliarden Euro an den Internationalen Währungsfonds (IWF) zahlen. Streit gibt es vor allem über von den Gläubigern geforderte Einschnitte bei den Renten und eine Erhöhung der Mehrwertsteuer.
Ewiges Hin und Her strapaziert Geduld
Gibt es in den kommenden Tagen keine Einigung mit den Gläubigern, drohen Griechenland die Pleite und womöglich ein Ausscheiden aus der Eurozone. Am Montag treffen sich die Staats- und Regierungschefs der Europäischen Union in Brüssel zu einem ausserplanmässigen Gipfel, um über die Lage zu beraten.
Das sind die Positionen der Euro-Länder:
- Deutschland rechnet zwar nicht mit einem Grexit, dafür mit einem langen und zähen Prozess auch nach dem Stichtag.
- Frankreich will schnelle Lösungen, aber auf Basis europäischer Regeln.
- Belgien erwartet ein konkretes Engagement von Athen. «Die Schonfrist für Griechenland ist vorbei», sagte unlängst Premier Charles Michel.
- Niederlande: die Parteien unterstützen eine kompromisslose Linie gegenüber Griechenland. Einen Schuldenerlass würde die Mehrheit der Bürger Umfragen zufolge nicht akzeptieren.
- Luxemburg betont zwar die Bringschuld Griechenlands, will aber auch eine praktikable Lösung nach dem Motto: «Man kann einem nackten Mann nicht in die Tasche greifen.»
- Österreich verliert angesichts des griechischen Verhandlungsverhaltens langsam die Geduld und auch den Glauben an die Einigung.
- Italien sorgt sich vor allem um die eigene Zukunft, sollte Griechenland aus dem Euro aussteigen und versucht deshalb zu beruhigen.
- Spanien bleibt gelassen. Das Land fühlt sich nicht bedroht. «Spanien braucht keinen Notfallplan», stellte der Wirtschaftsminister kürzlich fest.
- Portugal sorgt sich vor einer möglichen Ansteckungsgefahr bei einem Grexit. Die Regierung beschwichtigt.
- Irland schaut sorgenvoll nach Athen und bereitet sich auf den Ernstfall vor.
- Slowenien ist von Griechenland enttäuscht.
- Slowakei: Als eines der ärmsten Euro-Länder geht die Slowakei scharf ins Gericht mit Athen. «Warum sollen arme slowakische Pensionisten für die reicheren Griechen zahlen?», lautet die gängige Formel.
- Finnland hat wenig Verständnis für weitere Griechenland-Hilfe – wegen des eigenen harten Sparkurses.
- Estland, Lettland und Litauen hatten während der Wirtschaftskrise selbst schwer zu kämpfen. Daher ist das Verständnis für die mangelnde Spardisziplin in Athen gering.
- Zypern beobachtet sehr aufmerksam die Entwicklungen in Griechenland. Zypern ist das einzige Euroland, das Erfahrung mit Bankenschliessung und Kapitalverkehrskontrollen hat.
- Malta ist für den Verbleib Griechenlands in der Eurozone, verliert jedoch langsam die Geduld.