Gesucht hatte man für die Nachfolge des Südkoreaners Ban Ki-Moon in erster Linie eine Frau. In zweiter Linie jemanden aus Osteuropa, da diese Ländergruppe noch nie den Generalsekretär der Vereinten Nationen stellte. Und drittens rechneten die meisten mit der Wahl einer eher schwachen Persönlichkeit, mehr Sekretär als General.
Der 67-jährige Portugiese Antonio Guterrez erfüllt keine der drei Voraussetzungen. Für ihn sprach aber anderes: Vor allem seine zehn Jahre als UNO-Flüchtlingshochkommissar. Er führte das UNHCR in einer Zeit, in der die Flüchtlingsströme enorm zunahmen, geschickt und überaus engagiert. Und er passte die Strukturen dieser Schlüsselorganisation im UNO-Apparat den neuen Herausforderungen an.
Staatsmann, Manager, Charismatiker
Ob er deswegen auch ein effizienter Manager ist – was die UNO derzeit unbedingt bräuchte –, ist allerdings umstritten. Viele sehen in Guterres eher den Staatsmann, der den grossen Auftritt liebt, als den Behördenchef, der sich ins alltägliche Klein-Klein kniet.
Sicher ist hingegen: Der neue Mann wird der Weltorganisation ein markanteres Gesicht verleihen, hat mehr Charisma, ist eher ein Visionär als der abtretende Ban Ki-Moon.
Als ehemaliger Ministerpräsident Portugals ist Guterres es auch gewohnt, Staats- und Regierungschefs auf Augenhöhe gegenüberzutreten. Offenbar haben die machtbewussten UNO-Vetomächte, die sonst lieber einen Generalsekretär haben, der nach ihrer Pfeife tanzt, diesmal eingesehen, dass die UNO unbedingt eine starke Figur an der Spitze braucht. Die Weltorganisation ist aufgrund der vielfältigen, gravierenden Krisen angeschlagen.
Ein Quentchen Unmut bleibt
Für Guterres sprach schliesslich, dass er jemand mit einem moralischen Kompass ist, jedoch ideologisch nicht polarisiert. Ein Westeuropäer, ein Politiker aus einem Nato- und EU-Land, der aber auch für Russland und China akzeptabel ist und nicht als Vasall der USA abgestempelt werden kann.
Was Guterres aus seinem künftigen Amt macht, ist offen. Jeder Generalsekretär hat recht viel Spielraum, es zu prägen. Sicherlich aber bringt er die Voraussetzungen mit, zu einem guten Weltspitzendiplomaten zu werden.
Kritisiert wird seine Wahl deshalb einzig von all jenen – und es sind viele –, die nach 71 Jahren Uno endlich eine Frau an der Weltspitze gefordert hatten. Deren Unmut ist verständlich.