21 Meter lang und 100 Tonnen schwer schaukelt ein Schiff im Hafen von Chebourg. Doch die Sea Watch ist mehr als ein Schiff. Sie ist Anliegen und Idee, Plan und Projekt und soll sich demnächst auch in ein beispielloses Unternehmen verwandeln.
Die Sea Watch will nämlich ins Mittelmeer schiffen, um nordwestlich der libyschen Küste Flüchtlinge zu retten. Nicht unmittelbar, dafür wäre der Kutter viel zu klein und – mit 350 PS – wohl auch zu schwach. Aber indirekt, durch Ortung und Meldung, als «schwimmendes Auge», wie Harald Höppner erklärt.
«Günther Jauch» – die Sendung
Günther Jauch zum Schweigen gebracht
Harald Höppner ist nicht nur Mitinitiator des Unterfangens Sea Watch – der ersten privaten Massnahme zur Flüchtlingsrettung. Er ist auch dessen Mediensprecher. Einen Mediensprecher hat das Projekt auch nötig.
Denn spätestens seit Höppners Auftritt bei «Günther Jauch» sind Millionen von Menschen über Sea Watch informiert. Studiogast Höppner hat geschafft, was nur dem Schlagfertigsten gelingt: den Talkmaster Günther Jauch zum Schweigen zu bringen. Statt dem routinierten Moderator jene Stellungnahme zu liefern, die dieser erwarten konnte, hat Höppner auf eine Schweigeminute für die Flüchtlingsopfer bestanden – und diese vor laufender Kamera auch durchsetzen können.
Mauerfall als Denkanstoss
Ein halbes Jahr bevor Sea Watch im Rampenlicht steht, ist das Unternehmen aus einer intimen Unterredung hervorgegangen. Brandenburger Freunde haben das 25. Jubiläum des Mauerfalls gefeiert und die zeitgleiche Abschottung Europas vor Migranten als Widerspruch empfunden.
Als dann auch noch die italienische Marineoperation Mare Nostrum beendet wurde und sich das Schicksal der Flüchtlinge zu verschlechtern begann, sahen sich die Initianten von Sea Watch zum Handeln veranlasst.
Zunächst haben sie einen hundertjährigen Fischkutter erworben und das alte Schiff wieder seetüchtig gemacht. Ausgerüstet mit einer Satellitenkommunikationsanlage – die unabhängig von Ort und Zeit eine Internetverbindung herstellt – kann es nun in Not geratene Flüchtlingsboote lokalisieren und den Küstenwachen entsprechende Informationen übermitteln.
«Nicht Aufgabe von Privaten»
Ist die Sea Watch einmal im Mittelmeer angekommen, verfolgt das Unternehmen drei Ziele. Es soll die rudimentäre Versorgung der Flüchtlinge mit Trinkwasser und Schwimmwesten ermöglichen, wobei «aus einsichtigen Gründen keine Flüchtlinge an Bord genommen und transportiert werden können».
Ferner wird der Kutter «durch die Übertragung und Veröffentlichung von Berichten, Bild- und Videomaterial auf das Schicksal der Migranten aufmerksam machen».
Und schliesslich will sie Nachahmer bei jenen finden, die doch eigentlich Vorreiter sein sollten. «Das Flüchtlingsproblem zu lösen ist ja eigentlich nicht Aufgabe von Privaten», sagt Höppner. Es ist die Pflicht der EU. Wir Private wollen aber auf die Missstände hinweisen.»
Die Besatzung der Sea Watch besteht aus maximal acht Personen, darunter Ärzte, Sanitäter, Mechaniker, Seefunker, Kapitäne und Schiffsingenieure. Sie alle sind demnächst ehrenamtlich an Bord und werden nach einem festen Terminplan entweder in Malta oder Djerba ausgetauscht.
«Wir fahren unter deutscher Flagge»
Höppner begreift den humanitären Akt als Ausdruck eines «gesunden Menschenverstandes». So hat das Team von Sea Watch Miteiferer, Mitmacher und Mäzene gewonnen. Für mindestens drei Monate ist die Finanzierung sichergestellt. Und auch darüber hinaus ist das Interesse am Projekt so gross, dass die Beteiligten nun einen «Verein» gründen möchten.
Doch auch Kritik haben die Teilnehmer an Sea Watch erfahren. So hätten sie sich etwa die «falsche Behauptung» anhören müssen, dass Höppner «ohne nautische Kenntnisse» in See stechen würde. Oder «dass das Schiff ein Schrottschiff» sei.
Höppner hält dem entgegen, dass sie «unter deutscher Flagge» fahren und sich dessen, was recht ist und was nicht, durchaus bewusst seien.
Noch bevor sie vor der libyschen Küste geankert haben, weiss Höppner zudem «erste Erfolge» zu verbuchen: Dass die Bundeswehr gerade jetzt Schiffe ins Mittelmeer schickt, will er nämlich nur bedingt als Zufall verstehen. Den Wirbel, den sie in den vergangenen Tagen verursacht haben, scheint ihm mit ein Grund für die jüngsten Anstrengungen der deutschen Regierung zu sein.