800'000 Menschen, eine Million, vielleicht auch mehr? Wie viele Flüchtlinge Deutschland in diesem Jahr erwartet, kann eigentlich niemand mit Gewissheit sagen. Längst wissen viele Gemeinden nicht mehr, wie sie die Menschen unterbringen sollen.
Auch die Bundespolitik findet bislang keine Antworten. Ein Spitzentreffen der Regierungsparteien im Kanzleramt endete am Sonntag ergebnislos. Trotz einer «Vielzahl von inhaltlichen Gemeinsamkeiten» fanden die Teilnehmer – unter ihnen Kanzlerin Angela Merkel (CDU), CSU-Chef Horst Seehofer und SPD-Chef Sigmar Gabriel – keinen Konsens.
Streit gab es unter anderem in der Frage der vorgeschlagenen Transitzonen, in denen Flüchtlinge in Grenznähe registriert werden sollen. Die Gespräche sollen nun am kommenden Donnerstag fortgesetzt werden.
Brandbrief eines bayrischen Landrats
Unterdessen sorgt ein bayrischer Lokalpolitiker für Schlagzeilen. Der Landshuter Landrat Peter Dreier wandte sich in einem Brief an die Kanzlerin persönlich und drohte ihr, Busse mit Flüchtlingsbusse notfalls vor das Kanzleramt zu schicken.
Bei rund einer Million Flüchtlinge in diesem Jahr müsse sein Landkreis rechnerisch etwa 1800 Asylbewerber aufnehmen. «Die nehme ich auf, alle weiteren schicke ich per Bus zum Kanzleramt nach Berlin», zitierten mehrere deutsche Medien Dreier.
Merkel, die Dreier nach seinem Brief Mitte der Woche zurückgerufen hatte, habe ihm entgegnet, es brauche mittel- und langfristige Lösungen, die derzeit mit der Türkei und den anderen EU-Staaten gesucht würden.
«Wenn Sie mir die Flüchtlinge zum Kanzleramt schicken und ich sie dann nach Griechenland zurückschicke, sind sie übernächste Woche wieder bei uns», zitierte der Landrat die Kanzlerin. Das sei keine Lösung.
Dreier berichtete, er habe in dem etwa halbstündigen Telefonat mit Merkel dennoch auf kurzfristigen Lösungen beharrt: «Beim Hochwasser vor einem Jahr wussten die freiwilligen Helfer, dass es irgendwann aufhört zu regnen.» Ohne ein klares Signal aus Berlin, dass Deutschland nicht mehr unbegrenzt Flüchtlinge aufnehmen könne, seien die erschöpften Helfer ohne Perspektive.
In seinem Appell an die Kanzlerin betonte der Landshuter Kreischef daher: «Frau Merkel, sie müssen auch auf unsere Bürger schauen, weil der innere Friede sonst in Gefahr gerät.»