Ein neuer Tag, eine neue Razzia. Sondereinheiten stürmen in Melbourne mehrere Gebäude. Der Aufwand ist enorm, der Ertrag solcher Aktionen bisher wenig überzeugend. Vor zwei Wochen nahmen 800 Sicherheitskräfte 15 Terrorverdächtige fest – im Scheinwerferlicht der Fernsehkameras, kommentiert von nach Blut schreienden konservativen Radiomoderatoren. Drei Tage später sass noch einer Verhafteten hinter Gittern. Dann erschoss die Polizei einen muslimischen Jugendlichen. Er hatte mit einem Messer zwei Beamte verletzt. Ein Sympathisant der Terrormiliz Islamischer Staat IS, so die Regierung.
Obwohl es in Australien noch nie einen islamistisch motivierten Anschlag gegeben hat, herrscht seit ein paar Wochen Terror-Hysterie. Das Parlament debattiert neue Gesetze, die dem Geheimdienst Asio weitreichende Befugnisse geben, Terrorsympathisanten und Aktivisten aufzuspüren, auf Kosten der Rechte jedes Bürgers. Für Generalstaatsanwalt George Brandis droht Australien die grösste Gefahr seit dem kalten Krieg.
Gefängnis für Berichte über Geheimdienst
Jene, die Australien in dieser besonders gefährlichen Zeit schützen, müssten selbst geschützt werden, meinte er im Senat. Wer die Identität eines Geheimdienstmitarbeiters aufdeckt, muss künftig mit zehn Jahren Gefängnis rechnen. Das ist ein Gesetz in einem Paket von komplexen Vorlagen, die in diesen Tagen und Wochen mit Unterstützung der Opposition durchs Parlament segeln. Widerstand kommt nur von den Grünen.
Keine der Gesetzesvorlagen alarmiert Kritiker so wie die Gefahr für Journalisten, jahrelang ins Gefängnis zu müssen, wenn sie über klassifizierte Aktivitäten von Asio berichten. Wie, so fragt der grüne Senator Scott Ludlum die Regierung, soll die Kriminalisierung der Berichterstattung über Sicherheitsoperationen das Land sicherer machen?
Panikmache: Rechtfertigung für Kampfeinsatz
Einige Medienunternehmen verurteilen die Gesetze als «drakonisch». Die Zukunft des Journalismus sei in Gefahr. Doch die Rufe der Kritiker gehen in einem Klima von Fast-Panik unter. Das Parlament wird neu von Polizisten mit Maschinenpistolen patrouilliert. Australier islamischen Glaubens sind Ziel immer extremer rassistischer Berichterstattung der Boulevardmedien. Jeden Tag kommt es zu tätlichen oder verbalen Übergriffen gegen Muslime.
Laut Experten besteht in Australien die Gefahr eines Terroranschlages durch einheimische IS-Sympatisanten durchaus, nicht zuletzt wegen des geplanten Truppeneinsatzes in Irak. Kritiker verurteilen aber die scharfe Rhetorik von Regierung und ihr freundlich gesinnter Medien. Sie habe das Ziel, den Einsatz der Kampfflugzeuge zu rechtfertigen.
Vorerst macht das Publikum mit. Doch bald könnte jeder Normalbürger im Visier von Asio stehen. Laut einem weiteren Gesetz dürfe der Geheimdienst künftig mit nur einer einzigen richterlichen Anordnung das gesamte Internet Australiens überwachen, warnen Juristen. Jeder einzelne Computer im Land wäre dann für Asio ein offenes Buch, die Festplatte ein Tummelplatz für Spione. Ohne, dass der Besitzer etwas davon merkt.