Als sich die Libyer vor drei Jahren gegen Muammar al-Gaddafi erhoben, war ihre Euphorie gross. Den Diktator, der im Oktober 2011 von Rebellen getötet wurde, wünscht sich niemand zurück. Doch in dem nordafrikanischen Land dominiere inzwischen grosse Ernüchterung, sagt Markus Kaim, Forschungsgruppenleiter bei der Stiftung Wissenschaft und Politik in Berlin gegenüber Radio SRF.
Das Land versucht, sich eine Struktur zu geben: Am Donnerstag, dem 20. Februar, wird eine verfassungsgebende Versammlung gewählt. Allerdings ist die Wahlbeteiligung klein. Es haben sich weniger als ein Drittel der etwa 3,3 Millionen Wahlberechtigten in die Register eingetragen. Zum Vergleich: Bei der Parlamentswahl im Juli 2012 hatten sich rund 80 Prozent der Wahlberechtigten registrieren lassen.
Immer noch viele Waffen im Umlauf
Es gibt immer noch Unruhestifter im postrevolutionären Libyen. So werden Teile Libyens immer noch von einzelnen Clans dominiert, die die zentrale Regierungsgewalt nicht akzeptieren. «Wer auch immer die Wahlen gewinnt, er wird damit konfrontiert werden, dass er keine zentrale Legitimation geniesst», sagt Kaim.
Die Rebellen sind auch immer noch im Besitz von Waffen. Die Nato versucht, dies mit einer Entwaffnungsaktion zu ändern – bisher erfolglos. Ausserdem wird die Grenze im Süden immer durchlässiger. Ein Teil der Waffen, die einst für den Kampf gegen Gaddafi nach Libyen geschmuggelt worden waren, verlassen jetzt auf undurchsichtigen Wegen das Land. «Libyen ist zum Problem der Region geworden», sagt Kaim.
«Der Kollaps des Landes war nicht voraussehbar»
War die Intervention des Auslands angesichts dieser Auswirkungen überhaupt sinnvoll? «Das unmittelbare Ziel der Intervention war Gaddafis Töten von Zivilisten und Rebellen Einhalt zu gebieten.» So wurden in letzter Minute weitere Massaker verhindert. Das sei ein positiver Effekt. Aber: Der Kollaps des politischen Regimes wie es heute existiert, das «war nicht abzusehen und nicht beabsichtigt», sagt Kaim.
Schwieriger Grundkurs in Demokratie
Auch die Einführung der Demokratie in Libyen ist nicht einfach. Viele Libyer fühlen sich überfordert von dem Grundkurs der Demokratie, der ihnen jetzt von ehemaligen Exil-Libyern und westlichen Partnern gegeben wird.
Unter Gaddafi hatte Libyen keine Verfassung. Parteien waren 42 Jahre lang verboten. Staatliche Strukturen existierten nur auf dem Papier. Der Staat müsse von Grund auf neu aufgebaut werden, sagt Kaim.