Flüchtlinge in Libyen werden systematisch gefoltert. Das berichtete Human Rights Watch (HRW) unter Berufung auf eine Befragung im April. Acht der neun inspizierten Lager seien zudem völlig überfüllt und die Sanitäranlagen in katastrophalem Zustand. Libyen verstosse damit gegen seine internationalen Verpflichtungen, kritisierte HRW.
Leibesvisitationen bei Frauen und Mädchen
Bei der Untersuchung berichteten laut der Organisation knapp 100 der 138 befragten Flüchtlinge über Folter und andere Misshandlungen wie Peitschenhiebe, Schläge und Elektroschocks. «Gefangene schilderten, wie männliche Wachen Leibesvisitationen bei Frauen und Mädchen durchgeführt und Männer und Jungen brutal angegriffen haben», erklärte der HRW-Experte Gerry Simpson.
Trotz der schwierigen politischen Situation gebe es «keine Rechtfertigung für Folter und andere Gewaltanwendung» in den der Regierung unterstehenden Auffanglagern. Die Behörden hätten aber durch Wegsehen eine «Kultur der völligen Straflosigkeit für die Misshandlungen» geschaffen.
Gegenmassnahmen gefordert
Laut HRW werden jede Woche Hunderte Flüchtlinge auf dem Weg nach Italien von der libyschen Küstenwache abgefangen oder gerettet. Zusammen mit tausenden irregulären Immigranten landen sie in Abschiebehaft.
Bei der Instandsetzung der Lager wird Libyen von der EU und Italien unterstützt, zudem finanzieren diese die Arbeit libyscher Hilfsorganisationen in den Lagern. Angesichts der Berichte über Folter und Misshandlungen forderte HRW Rom und Brüssel auf, jegliche Unterstützung für die Lager auszusetzen, bis die Vorwürfe untersucht und Gegenmassnahmen ergriffen wurden.