Obwohl in Tunesien noch keine amtlichen Ergebnisse der Parlamentswahlen vorliegen, zeichnet sich ein Wahlsieg der säkularen Kräfte gegenüber den Islamisten ab.
Die tunesische Wahlbeobachter-Organisation «Mourakiboun» geht davon aus, dass die weltliche Allianz Nidaa Tounès («Ruf Tunesiens») auf mindestens 37 Prozent der Stimmen kommt. Auf die islamistische Ennahda würden knapp 28 Prozent entfallen. Tunesische Medien berichteten unter Berufung auf Umfragen über ähnliche Anteile.
Auf ihrer offiziellen Facebook-Seite verkündete Nidaa Tounès ihren Wahlsieg. «Wir haben gewonnen, lang lebe Tunesien», hiess es dort. Parteichef Béji Caïd Essebsi hatte sich am Sonntagabend noch vorsichtig gezeigt und sprach nur von «Hinweisen», wonach die Partei an der Spitze sein könnte.
Islamisten wollen mitregieren
Die islamistische Ennahda-Partei, die aus der ersten freien Wahl in Tunesien nach dem Arabischen Frühling 2011 als Siegerin hervorgegangen war, räumte ihre Niederlage ein. «Wir akzeptieren das Resultat und gratulieren dem Gewinner Nidaa Tounès», sagte Lotfi Zitoun, Vertreter der Ennahda-Parteileitung der Agentur Reuters. Zitoun wiederholte aber den Anspruch seiner Partei, im Interesse des Landes an der Regierung beteiligt zu werden.
Die Bekanntgabe amtlicher vorläufiger Ergebnisse durch die tunesische Wahlkommission ISIE zögerte sich immer weiter hinaus. Lediglich die Stimmbeteiligung von 61.8 Prozent wurde kurz nach Mitternacht offiziell bekanntgegeben. Eine bereits am Morgen angekündigte Medienkonferenz wurde bereits mehrfach verschoben.
Die türkische Nachrichtenagentur Anadolu verbreitete auf ihrer französischsprachigen Website bereits vorläufige Resultate und eine Berechnung der Verteilung der 217 Sitze im Parlament. Demnach erreicht Nidaa Tounès 38,24 Prozent oder 83 Sitze. Ennahda erreichte 31,33 Prozent (68 Sitze).
Drittstärkste Kraft wird die Liberale Patriotische Union (UPL) mit 7,83 Prozent oder 17 Sitzen. Die UPL wird angeführt vom Unternehmer Slim Riahi. Der 42-Jährige ist auch Vorsitzender des beliebten Fussballvereins Club Africain in Tunis und tritt auch bei der Präsidentenwahl am 23. November an.
Wenn das neue Parlament die Arbeit aufnimmt, kann die Übergangsregierung von einer neuen Regierung abgelöst werden. Mit der Wahl eines Präsidenten bis zum Jahresende soll der nach der Jasmin-Revolution eingeleitete Weg Tunesiens in die Demokratie abgeschlossen sein. Bis spätestens im Februar 2015 soll das Kabinett arbeitsfähig sein. Die Legislaturperiode dauert fünf Jahre.
Gratulation zum Demokratisierungs-Prozess
Der Generalsekretär des Europarates, Thorbjörn Jagland, würdigte den signifikanten Anstieg eingeschriebener Wähler auf mehr als 5,2 Millionen Menschen. Dies sei ein erfreuliches Zeichen der Stärkung der tunesischen Demokratie.
Die deutsche Bundesregierung bescheinigte Tunesien eine Vorreiterrolle in der kriselnden Region. Regierungssprecher Steffen Seibert sagte: «Tunesien hat eine weitere wichtige Wegmarke erreicht auf dem Weg zu Demokratie und Freiheit. Das Land bleibt damit unter den Ländern des arabischen Umbruchs ein Lichtblick.»