In Minneapolis, im Norden der Vereinigten Staaten, leben 30‘000 Menschen aus Somalia, so viele, wie in keiner anderen amerikanischen Stadt. 2007 reisten rund 25 Jugendliche zurück nach Somalia und schlossen sich der Al-Kaida-Gruppe Al-Shabab an.
Und seit die Terror-Gruppe IS in Nahen Osten aktiv ist, sollen nochmals so viele Leute aus der somalischen Gemeinde von Minneapolis nach Syrien gereist sein. Kein Wunder also, hat das amerikanische Justizministerium genau diese Stadt , zusammen mit Los Angeles und Boston, für ein Pilotprojekt ausgewählt, mit dem die Rekrutierung junger Terrorkämpfer gestoppt werden soll.
Von Radikalisierung abhalten
Hedieh Mirahmadi ist Präsidentin der Organisation Worde, die ein ähnliches Projekt in Maryland betreibt und vom Weissen Haus ebenfalls für den Anti-Terror-Gipfel aufgeboten wurde.
Sie sagt, das Ziel all dieser Projekte sei dasselbe: Ihre Organisation sei daran, ein Netzwerk von Lehrern, religiösen Führern und Behördenvertretern in den Gemeinden aufzubauen, die junge Menschen von einer Radikalisierung abhalten können. Es soll ein Frühwarn-System sein, denn oft werde zu spät erkannt, dass sich junge Menschen Sympathien für eine Terror-Organisation wie IS entwickeln, sagt sie.
Einfach ist die Früherkennung nicht, auch wenn inzwischen bekannt ist, wer besonders gefährdet ist. Es sind isolierte Menschen, die die Kultur und die Sprache nicht kennen. Es sind Leute aus Kriegsgebieten, traumatisiert, arm, arbeitslos. All diese Faktoren können, müssen aber nicht zu gewalttätigem Extremismus führen, erklärt Hedieh Mirahmadi.
Es gehe darum, herauszufinden, wie stark jemand gefährdet sei – und dann Gegensteuer zu geben, auch mit der Unterstützung von Sozialarbeitern. Mirahmadi, selber eine Muslimin, sagt, die Gefahr einer Radikalisierung habe in muslimischen Gemeinden in den USA in jüngster Zeit zugenommen. Gleichzeitig stelle man aber auch fest, dass die Terror-Organisation IS besonders gut an bei einer steigenden Zahl von Konvertiten ankomme.
Programme werden kritisiert
Niemand sei immun. Deshalb dürfe der Kampf gegen gewalttätigen Extremismus nicht auf die muslimische Gesellschaft reduziert werden, auch wenn diese besonders viel Hilfe benötige.
Die Aussagen von Hedieh Mirahmadi bleiben trotz Nachfragen etwas schwammig. Und sie selber muss zugegeben, dass sie keine konkreten Erfolgszahlen vorweisen kann, nicht jetzt und wohl auch nicht in Zukunft. Hier setzen denn auch die Kritiker dieser Pilot-Programme an. Sie sagen, sie seien ineffizient.
Sind solche Programme diskriminierend?
Arjen Sethi von der politisch links stehenden Bürgerrechtsorganisation American Civil Liberties Union findet die Programme und den Anti-Terror-Gipfel aus einem anderen Grund problematisch. Trotz allen anderslautenden Beteuerungen heben sie amerikanische Muslime heraus, sagen die Kritiker.
Die amerikanischen Muslime würden stigmatisiert und deren Religions- und Meinungsäusserungsfreiheit gefährdet. Muslimische Führer aus den Pilotstädten würden melden, ihre Glaubensgenossen hätten Angst, wie nach 9/11 nun vom Staat wieder stärker überwacht zu werden.
Und nun wollten die USA diese Projekte am Gipfel als gute Beispiele vorstellen und in die ganze Welt exportieren, kritisiert er. Arjen Sethi sagt, das Problem der Radikalisierung existiere, doch es würde aufgebauscht:
Es liesse sich mit regulärer Polizeiarbeit und ohne spezielle Anti-Radikalisierungs-Programme lösen. Dieser Vorschlag dürfte am Anti-Terror-Gipfel kaum auf viel Resonanz stossen. Mit dem jüngsten Vormarsch der IS stehen die Politiker unter Handlungsdruck.