Nach jahrelanger massiver Gewalt der Terrormiliz IS wird der Irak zunehmend von einer humanitären Katastrophe bedroht. Die Lebensumstände von Millionen Menschen könnten sich nach UNO-Angaben dramatisch verschlechtern, weil Hilfsgelder fehlten.
«Wenn es nicht mehr Unterstützung gibt, könnten in den kommenden Wochen etwa die Hälfte der humanitären Programme gekürzt oder eingestellt werden», warnte Kyung Wha Kang vom UNO-Nothilfebüro bei einem Krisentreffen in Brüssel. Es bestehe die konkrete Gefahr, dass Millionen Menschen ohne sauberes Wasser, Nahrung und medizinische Versorgung dastehen.
Um eine Katastrophe abzuwenden, rufen Europäische Union und Vereinte Nationen nun dazu auf, für einen neuen Hilfsplan bis Jahresende knapp eine halbe Milliarde US-Dollar zu mobilisieren.
Polio im Vormarsch
Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) berichtete zudem von Krankheiten wie Masern oder Polio, die im Irak auf dem Vormarsch seien: «Das zeigt uns, dass das Gesundheitssystem zusammengebrochen ist», erklärte Generaldirektorin Margaret Chan.
«Die Zahl der Menschen im Irak, die lebensrettende Hilfe benötigen, ist in weniger als einem Jahr um 400 Prozent gestiegen», kommentierte der zuständige EU-Kommissar Christos Stylianides. Demnach benötigen derzeit mehr als acht Millionen Iraker Hilfe. Die Zahl drohe bis Ende des Jahres auf zehn Millionen anzusteigen.
Menschen auf der Flucht
Die Situation wird durch die blutigen Kämpfe zwischen dem IS und Regimetruppen zusehends verschärft. So sind seit der Eroberung der irakischen Provinzhauptstadt Ramadi vor etwa zweieinhalb Wochen nach Angaben der Vereinten Nationen 85'000 Menschen auf der Flucht. Wie das UNO-Flüchtlingshilfswerk berichtete, seien im gesamten Land fast drei Millionen Menschen gezwungen worden, ihre Häuser zu verlassen.
Nach gegenseitigen Vorwürfen zwischen Bagdad und Washington zum schleppenden Kampf gegen die Extremisten sprechen die USA aber zumindest davon, dem IS «enorme Verluste» zugefügt zu haben. 10'000 der Extremisten seien seit Beginn der Initiative vor neun Monaten getötet worden, sagte Vize-Aussenminister Antony Blinken dem Sender France Inter. Trotzdem werde der Kampf noch Jahre andauern.