Das Parlament in Bagdad verweigerte dem umstrittenen Regierungschef Notstandsmassnahmen, die ihm mehr Befugnisse gegeben hätten. Das Parlament war nicht beschlussfähig, weil viele Abgeordnete der Krisensitzung ferngeblieben waren, berichtete das Nachrichtenportal «Al-Sumaria News».
Ungeachtet dessen scheint sich nun aber doch eine Front gegen den Terror der Isis-Truppen zu bilden.
Riesige Flüchtlingswelle
Isis-Kämpfer rückten am Donnerstag bis auf 60 Kilometer an Bagdad heran. Ihr Vormarsch konnte aber gestoppt werden. Nach Angaben der Organisation Ärzte ohne Grenzen sind rund eine Million Iraker auf der Flucht.
Allein in Mossul waren binnen weniger Stunden rund 500'000 Menschen vor den Extremisten geflohen. Fast 50 Mitarbeiter des türkischen Konsulats wurden als Geiseln genommen, darunter der Konsul selbst.
Armee schlägt zurück
In der nordöstlichen Provinz Dijala stiessen Extremisten nach Medienberichten mit irakischen Truppen zusammen. Rund 50 Kämpfer seien bei Gefechten getötet worden. Die Isis habe sich daraufhin wieder zurückgezogen, hiess es. Die irakische Armee errichtete in Bakuba, der Provinzhauptstadt von Dijala, eine gemeinsame Front mit Polizeikräften und freiwilligen Stammeskämpfern.
Auch in Kirkuk sollen die Isis-Kämpfer zurückgedrängt worden sein. Kurdische Medien meldeten, die ölreiche Stadt im Norden des Iraks werde von den «Peschmerga» verteidigt, den Streitkräften der kurdischen Autonomieregion. Am Vormittag meldeten irakische Sicherheitskräfte zudem die Befreiung von Tikrit.
Strenge Regeln in Mossul
Die Isis-Truppen waren seit Dienstag von der nordirakischen Stadt Mossul entlang dem Fluss Tigris bis ins zentralirakische Tikrit vorgerückt, rund 175 Kilometer nördlich von Bagdad. Viele kleinere Städte hatten sich fast kampflos ergeben, irakische Soldaten flohen vor den anrückenden Kämpfern.
Die zweitgrösste irakische Stadt Mossul befindet sich nach wie vor in der Hand der Extremisten. Die Isis veröffentlichte ein Kommuniqué, das neue Gesetze für die eroberte Stadt vorgibt.
Der Konsum von Drogen, Alkohol und Zigaretten wird unter Strafe gestellt, ebenso das sichtbare Tragen von Waffen. Auch Versammlungen sind verboten. Polizisten und Soldaten wurden im Kommuniqué aufgefordert, sich zu ergeben. Stammesführer wurden gewarnt, die irakische Regierung zu unterstützen.
Isis erbeutet Geld und Kriegsgerät
Nach Informationen der Nachrichtenagenrtur dpa erbeuteten Isis-Kämpfer in Mossul rund 500 Milliarden irakische Dinar (rund 390 Millionen Franken) in der Zentralbank. Sollten sich die Meldungen bestätigen, würde dies Isis zur reichsten Terrororganisation vor Al-Kaida machen. Experten schätzen das Vermögen von Al-Kaida auf bis zu 340 Millionen Franken.
Auch schweres Kriegsgerät und Helikopter soll in die Hände von Isis gefallen sein. Im Netz kursierende Fotos zeigen irakische Panzer mit der schwarzen Flagge der Isis – manche sollen bereits nach Syrien gebracht worden seien. Im syrischen Bürgerkrieg kämpft Isis gleichzeitig gegen das Regime von Machthaber Baschar al-Assad und gemässigte Rebellengruppen.
Isis verbreitet Videobotschaft
In einer auf YouTube verbreiteten Videobotschaft rief Isis-Sprecher Abu Mohammed al-Adnani die Kämpfer auf, weiter bis nach Bagdad vorzudringen, wo «es eine Rechnung zu begleichen» gebe.
Auch die schiitischen Städte Nadschaf und Kerbela werde Isis attackieren, drohte Al-Adnani und rief zum Durchhalten auf. «Gebt nicht einen Meter befreites Land zurück – ausser mit euren toten Körpern.»