SRF News: Ist das, was jetzt vorliegt, eine Win-Win-Situation für beide Seiten, den Westen und den Iran?
Fredy Gsteiger: Tatsächlich – es ist ein Konsens hergestellt worden. Beide Seiten mussten grosse – zum Teil auch schmerzliche – Zugeständnisse machen. Für alle Beteiligten ist das Abkommen sicher besser als der Status quo, also als es die Fortdauer des Atomstreits gewesen wäre.
Bis zuletzt waren einzelne Punkte stark umstritten, so wollte der Iran zum Beispiel keine Inspektoren auf Militäranlagen zulassen. Was hat dazu geführt, dass Teheran doch noch eingelenkt hat?
Einerseits ist dafür das sehr grosse Interesse des Irans verantwortlich, endlich die Wirtschaftssanktionen loszuwerden, die auf dem Land und der Bevölkerung lasten. Anderseits war die Forderung nach Inspektionen der Militäranlagen für den Westen nicht wirklich verhandelbar. Es geht ja um den Abbau des Misstrauens und den Aufbau von Vertrauen. Der Iran hat in der Vergangenheit beim Atomprogramm getrickst. Deshalb war es für den Westen zwingend, dass es künftig mehr und gründlichere Kontrollen gibt. Doch auch der Iran hat bei diesem Punkt noch etwas herausgeholt: Zwar musste Teheran zugestehen, dass Atominspektoren der UNO auch Zugang zu Militäranlagen und Forschungslabors erhalten, aber nicht gänzlich unangemeldet und zu jeder Zeit.
Das nukleare Wissen im Iran ist inzwischen sehr gross.
Musste der Westen daneben noch weitere Zugeständnisse machen?
Der Westen wollte ja zunächst nur einen graduellen Abbau der internationalen Sanktionen. Der Iran dagegen wollte, dass diese sofort aufgehoben werden. Hier hat sich eher der Iran durchgesetzt und der Westen nachgegeben. Eine Ausnahme bildet das Waffenembargo, welches noch für fünf weitere Jahre gelten soll.
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Ganz grundsätzlich: Garantiert dieses Abkommen, dass Iran nie eine Atombombe wird bauen können?
Nein, das tut es nicht. Das Abkommen baut auf den guten Willen Teherans, sich wirklich vom Atombombenbau abzuwenden. Es sieht während 15 Jahren eine starke Begrenzung des iranischen Atomprogramms vor. Doch wenn der Iran mutwillig gegen das Abkommen verstossen wollte, könnte das Land nach wie vor innerhalb rund eines Jahres eine Atombombe bauen. Es ist letztlich auch durch das beste Abkommen nicht möglich, den Iran vom Status einer Fast-Atommacht wieder wegzubringen, denn das nukleare Wissen ist im Iran inzwischen sehr gross. Und dieses kriegt man auch durch die härtesten Bedingungen in einem Vertrag nicht aus den Köpfen weg.
Ganz und gar nicht glücklich über das Abkommen, ist Israel. Dort spricht man von einem historischen Fehler: Warum?
Das hängt mit dem abgrundtiefen Misstrauen in weiten Teilen der israelischen Bevölkerung gegenüber dem Iran zusammen. Der Iran ist nun einmal das Land, dessen früherer Präsident damit gedroht hatte, Israel müsse von der Landkarte verschwinden. Auch leugnen viele führende Politiker des Iran nach wie vor den Holocaust. Doch das Problem ist, dass Israel während der langwierigen Atomverhandlungen nie eine bessere Alternative zu einem Abkommen hat aufzeigen können.
Das Gespräch führte Brigitte Kramer.