Als Geste des guten Willens vor neuen Nahost-Friedensgesprächen hat Israel 26 palästinensische Langzeithäftlinge freigelassen. 11 von ihnen passierten in der Nacht den Beitunia-Kontrollpunkt in das Westjordanland. 15 weitere wurden wenig später über den Eres-Kontrollpunkt in den Gazastreifen gebracht. An beiden Übergängen wurden die Häftlinge von hunderten Menschen jubelnd in Empfang genommen.
Israels Höchstes Gericht hatte zuvor eine Klage von Familien der Terroropfer abgewiesen und damit den Weg für die Freilassung der Häftlinge freigemacht.
Raketenbeschuss und Armeeangriff
Kurz vor der Rückkehr der Ex-Häftlinge feuerten militante Palästinenser eine Rakete aus dem Gazastreifen auf Israel ab. Sie schlug in einem offenen Gebiet nahe der Grenzstadt Sderot ein. Als Antwort griff die israelische Luftwaffe Ziele im Gazastreifen an. Es seien verdeckte Abschussrampen im Norden des Palästinensergebiets beschossen worden, hiess es von der Armee. Über zivile Opfer gab es zunächst keine Angaben. In der Nacht zuvor hatte das israelische Abwehrsystem Eisenkuppel erstmals eine auf die Küstenstadt Eilat abgefeuerte Rakete abgefangen.
Forderung von Abbas
Palästinenserpräsident Mahmud Abbas hatte die schrittweise Freilassung von insgesamt 104 Langzeithäftlingen als Bedingung für neue Gespräche gemacht. Für heute Mittwoch ist in Jerusalem die zweite Runde der Friedensgespräche zwischen Israel und den Palästinensern geplant. In Abbas' Amtssitz in Ramallah fanden Freudenfeiern für die freigelassenen Häftlinge statt.
Abgedunkelte Fenster
Die Häftlinge, die alle wegen Mordes oder Beihilfe zum Mord verurteilt worden waren, wurden in Fahrzeugen mit abgedunkelten Fenstern transportiert. Damit wollte Israel verhindern, dass die Palästinenser auf dem Weg in die Freiheit auftrumpfen und wie bei früheren Tauschhandeln im Fenster mit den Fingern Siegeszeichen machen.
Wütende jüdische Demonstranten riefen «Tod den Arabern», als die Fahrzeugkolonne an ihnen vorbeifuhr. Vor ihrer endgültigen Freilassung mussten die Häftlinge eine Erklärung unterzeichnen, dass sie wieder ins Gefängnis und ihre volle Strafe absitzen müssen, falls sie sich wieder an Terroraktivitäten beteiligen. Von mehr als 1000 Häftlingen, die Israel vor zwei Jahren im Gegenzug für den entführten Soldaten Gilad Schalit freigelassen hatte, sind 44 inzwischen wieder in Haft.
Höchst umstrittene Siedlungsprojekte
Auf Vermittlung der USA hatten Israel und die Palästinenser den Friedensprozess vor zwei Wochen nach knapp dreijährigem Stillstand wieder in Gang gesetzt. Ziel ist ein Friedensabkommen binnen neun Monaten und ein unabhängiger Palästinenserstaat.
Israel provozierte die Palästinenser jedoch vor dem Beginn der Vorgespräche mit neuen Siedlungsprojekten. Die Jerusalemer Stadtverwaltung bestätigte am Dienstag Baupläne für 890 Wohnungen im Gilo-Viertel, das auf 1967 erobertem Gebiet liegt. Erst am Sonntag hatte das Wohnungsbauministerium Ausschreibungen für den Bau von knapp 1200 Wohnungen im Westjordanland und Ost-Jerusalem angekündigt.
USA: Unrechtmässige Pläne
Der palästinensische Chefunterhändler Saeb Erekat sagte nach Angaben des arabischen TV-Senders Al-Dschasira, die israelischen Baupläne zerstörten die Chancen auf Frieden. Erekat trifft sich am Mittwochabend in Jerusalem mit der israelischen Verhandlungsführerin Zipi Livni.
US-Aussenminister John Kerry betonte, dass die neuen Pläne dem Wiederbeginn der Gespräche nicht im Weg stünden. Zwar wäre es besser gewesen, den Bau neuer Siedlungen zu vermeiden, sagte Kerry während eines Besuchs in Brasilien. In der Diskussion müssten aber auch die Gegebenheiten innerhalb Israels berücksichtigt werden, worüber sich auch Abbas im Klaren sei.
Kerry habe Netanjahu in einem Telefonat verdeutlicht, dass die Siedlungen aus Sicht der USA unrechtmässig sind. «Wir lehnen Siedlungen zu jeder Zeit ab, nicht nur während des Friedensprozesses.»