Mit den in Asien üblichen Höflichkeiten hielt sich Premierminister Shinzo Abe gerade mal ein paar Sekunden auf. Dann kam schon die erste Breitseite an die Adresse der chinesischen Führung: Alle Länder müssten das Völkerrecht akzeptieren. Peking hingegen versuche mit Zwang und Gewalt, ganze Inselgruppen und weite Teile internationaler Gewässer zu annektieren.
Doch sein Land, Japan, werde fortan Chinas Nachbarn beistehen, die Freiheit der Navigation zu Wasser und in der Luft zu verteidigen. Bereits stelle man dafür den Philippinen, Indonesien und bald auch Vietnam modernste Patrouillenboote zur Stärkung der Küstenwache zur Verfügung.
Es sei empörend, dass ein Land in der Region, er meint erneut China, einen Fait accompli nach dem andern schaffe. Das lasse sich Japan nicht länger bieten.
Seine Regierung wolle deshalb resoluter auftreten als das in Tokio je seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs tat. Man investiere deutlich mehr in die Verteidigung. Allerdings tut Japan das von einem im Vergleich zu China sehr tiefen Niveau aus. Und man diskutiere intensiv darüber, die pazifistische Verfassung neu zu interpretieren.
Japanische Selbstverteidigung
Shinzo Abe spricht zwar noch immer nicht von einer eigentlichen japanischen Armee, sondern weiter bloss von Selbstverteidigungskräften. Doch von japanischem Pazifismus spricht er nicht mehr, hingegen von einem proaktiven, auch militärischen Beitrag zum Frieden und von entschiedener Hilfe an die kleineren Länder in Ostasien, die Asean-Staaten.
Beim Besuch von Präsident Barack Obama neulich habe er deshalb den Verteidigungspakt mit den USA bestärkt und gestärkt. Mit Australien beginnt Japan eine strategische Partnerschaft. Und nun will er auch mit der neuen nationalistischen Regierung in Indien sicherheitspolitisch ins Geschäft kommen. Offenkundig versucht da einer, eine letztlich gegen China gerichtete Allianz zu gründen. Die Erfolgsaussichten sind jedoch begrenzt.
Die Amerikaner geben Deckung
Zwar sprach der japanische Premier immer wieder vom Frieden, der für Asiens Wohlstand unabdingbar sei. Wen er jedoch als Partner für diesen Frieden sieht und wen nicht, machte er überaus deutlich. Partner sind all jene Länder, welche Freiheit und Menschenrechte respektierten. China offensichtlich nicht.
Für den Strategie- und Marineexperten Christian Le Mière von der Strategiedenkfabrik IISS kommt Abes Offensive wenig überraschend.
Es sei klar gewesen, dass Japan seine aussen- und sicherheitspolitische Zurückhaltung zügig ablegen wolle und dass Abe dazu den grossen Auftritt in Singapur suchte. Klar sei auch, dass er über amerikanische Rückendeckung verfüge.
China hält dagegen
Die zumindest verbale chinesische Retourkutsche liess indes nicht auf sich warten. Kaum hatte Abe seine Rede beendet, stand ein chinesischer General auf und schlug dem Premierminister die Weltkriegsvergangenheit um die Ohren. Die japanische Armee hatte Millionen von Toten auf dem Gewissen. Und die einflussreiche und scharfzüngige chinesische Aussenpolitikerin Fu Ying warf Abe vor, er mache aus dem Streit zwischen Peking und Tokio einen Grosskonflikt zwischen den beiden Ländern. So schaffe er ein gefährliches Problem.
Es waren deutliche Worte von beiden Seiten. Als wären die Spannungen zwischen den beiden asiatischen Mächten nicht schon gross genug. Der Gipfel in Singapur zeigt: Sie könnten eher noch grösser werden.