Die neue EU-Kommission ist heute vom Europaparlament klar gebilligt worden. Von den 699 abgegebenen Stimmen entfielen 423 auf das Gremium, 209 dagegen. 67 Abgeordnete enthielten sich der Stimme. Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker konnte auf die Stimmen von EVP, Sozialdemokraten und von den meisten Liberalen im EU-Parlament zählen. Grüne, Linke, FDP und AfD stimmten gegen die Kommission.
Juncker hatte versprochen, eine «politische Regierung» zu bilden. Mit seinem Team aus vier früheren Ministerpräsidenten und über 15 ehemaligen Ministern hat er dies nun getan, wie SRF-Korrespondent Oliver Washington in Brüssel berichtet. Entstanden sei ein selbstbewusstes Team mit grosser Erfahrung, was für die tägliche Arbeit sehr wichtig sei. Auch wenn es darum gehe, zusammen dem dem EU-Parlament und den Regierungen der EU-Mitgliedsländer Kompromisse zu schmieden.
Mehr mitreden
Damit grenzt sich Juncker auch von seinem Vorgänger Barroso ab, der oftmals zögerlich war und bei wichtigen Fragen zuerst mit Berlin telefonierte, bevor er sich positionierte. Juncker verspreche dagegen eine Kommission, die gestalten möchte und sich um die grossen Probleme kümmert. Denn schliesslich gilt es die Wirtschaftskrise ebenso zu meistern wie die enorme Arbeitslosigkeit in einzelnen Ländern.
Zur Ankurbelung der Wirtschaft legte Juncker bereits vor einiger Zeit ein 300-Milliarden-Euro-Investitionsprogramm vor, dessen Wichtigkeit er heute betonte. Die meisten europäischen Länder mussten in den letzten Jahren stark sparen und fuhren die Investitionen deshalb zum Teil drastisch herunter. So sind die öffentlichen Investitionen in vielen Ländern heute tiefer als vor der Krise 2008/2009.
Darunter leidet die Wettbewerbsfähigkeit Europas. Entsprechend sagte Juncker, es reiche nicht aus, die Staatshaushalte ins Lot zu bringen und die Arbeitsmärkte flexibler zu gestalten. Es brauche auch Investitionen in öffentliche Infrastrukturen wie Strassen, Schienen und Stromnetz. Erst dann könne die Wirtschaft wieder wachsen. Bereits vor den Weihnachtsferien will Juncker sein Programm präsentieren.
Investitionsbank als Joker?
Zwar kann auch Juncker die EU-Staaten nicht zwingen, Milliarden zu investieren. Aber er kann laut Washington Überzeugungsarbeit leisten und Konzepte aufzeigen. Zur Diskussion steht beispielsweise, ob die europäische Investitionsbank mehr Geld auf dem Kapitalmarkt aufnehmen und den Ländern zur Verfügung stellen soll.
Ein grosser Vorteil wäre, dass diese Hausbank der EU zu sehr guten Konditionen Geld aufnehmen könnte und sich die Mitgliedsländer nicht weiter verschulden müssten. Selber entscheiden könnte Juncker allerdings nicht und wäre wohl auf die Zustimmung der EU-Mitgliedsländer angewiesen.
Am Erfolg seiner Überzeugungsarbeit wird der Luxemburger gemessen werden. Er wird einen überzeugenden Start hinlegen müssen, wenn er das Vertrauen der Bevölkerung in die EU wieder zurückgewinnen will.