«Die Amerikaner, denen wir viel verdanken, ... die werden nicht auf Dauer für die Sicherheit der Europäer sorgen. Das müssen wir schon selbst tun.» Mit diesen Worten hat Jean-Claude Juncker in Berlin sein Drängen auf eine gemeinsame europäische Sicherheitspolitik begründet. Es brauche «einen neuen Anlauf in Sachen europäische Verteidigungsunion bis hin zu dem Ziel der Einrichtung einer europäischen Armee.»
Zwar betonte Juncker bei seiner Europarede zum Jahrestag des Mauerfalls, diese Notwendigkeit bestehe unabhängig vom Wahlausgang in den USA. Die Wahl Donald Trumps setze Europa diesbezüglich jedoch in der Tat unter Druck, meint Stephan Bierling, Professor für internationale Politik an der Universität Regensburg: «Die europäischen Nato-Verbündeten werden mehr für ihre Verteidigung ausgeben müssen, da die Amerikaner die Europäer nicht wie in der Vergangenheit weiter subventionieren werden.»
Während des Wahlkampfs hatte Donald Trump angekündigt, das US-Engagement in der Nato zu überdenken: «Wir zahlen in unverhältnismässiger Weise. Es ist zu viel und offen gesagt, war es eine andere Welt, als wir die Idee der Nato entwickelt haben ...»
Geplante Beratungen über militärische Kooperation
Die EU-Verteidigungsminister wollen kommende Woche über eine engere Zusammenarbeit der EU-Streitkräfte als Ergänzung der Kooperation in der Nato beraten. Die 28 EU-Regierungen sollen dann auf ihrem Gipfel Mitte Dezember den Weg für eine Verteidigungsunion freimachen.
Es wird erwartet, dass Grossbritannien nach dem Austritts-Votum keine Einwände mehr dagegen erhebt und dass die anderen 27 EU-Regierungen ihre sicherheitspolitische Zusammenarbeit verstärken werden.
Keine Vereinigten Staaten von Europa
Juncker betonte aber in Berlin, dass eine engere sicherheitspolitische Zusammenarbeit nicht die Entwicklung hin zu den Vereinigten Staaten von Europa bedeute. «Das sollten wir unterlassen», sagte der Luxemburger. «Die Menschen in unseren Ländern wollen überhaupt nicht die Vereinigten Staaten von Europa erleben», fügte er hinzu. Man sollte nicht den Eindruck schüren, «als ob die EU sich auf dem Weg der Verstaatlichung befinde».
Die «Europa-Rede» eines der drei höchsten Repräsentanten der EU in Berlin erinnert seit 2010 regelmässig am 9. November an den Mauerfall 1989, der ein ungeteiltes Europas möglich gemacht hat.