Sie steht exemplarisch für die Regulierungswut der Europäischen Union: Die EU-konforme Gurke, mindestens 14 cm lang und 2,7 cm dick. Die mittlerweile ausser Kraft gesetzte «Gurkenverordnung» war eines von vielen Gesetzen, das die EU in den letzten Jahren geschaffen hat. Manche von ihnen mögen absurd erscheinen, viele sind es aber nicht.
Deshalb übernimmt auch die Schweiz fast die Hälfte der EU-Gesetze. Wie beispielsweise jenes über das Verbot konventioneller Glühbirnen. Das Versprechen des Kommissionspräsidenten, das «Bürokratiemonster EU» zu entschlacken, ist daher auch für die Schweiz von Bedeutung. In seinem ersten Amtsjahr hat er es eingehalten. Nur Applaus kriegt er dafür in Brüssel jedoch nicht.
Deutlich weniger Gesetzespakete als unter Vorgänger Barroso
Er wolle dafür Sorge tragen, dass die EU «anstatt sich in alle Details, Winkel und Ecken der Menschen einzumischen, sich um die wirklich grossen europäischen Probleme kümmert», hatte Juncker bei seinem Amtsantritt im November 2014 versprochen. Und da es der Kommission vorbehalten ist, neue EU-Gesetze vorzuschlagen, ist der Luxemburger tatsächlich in der Position, dies auch zu tun.
Und das habe er, meint Pieter Cleppe, Chef des Brüsseler Büros der EU-kritischen Denkfabrik «Open Europe» im Interview mit «10vor10»: «Ich muss sagen, dass wir bereits erste Erfolge sehen. Das EU-Parlament beschäftigt sich mit viel weniger Vorschlägen als früher.»
Eine Feststellung, die sich mit Zahlen belegen lässt: In den ersten neun Monaten seiner Amtszeit hat Jean-Claude Junckers Kommission 28 neue Gesetzespakete vorgeschlagen – unter seinem Vorgänger José Manuel Barroso waren es im gleichen Zeitraum 80 Gesetzespakete.
Nicht alle freut Junckers Kurs
Dass der Kommissionspräsident sein Versprechen unter der Losung «Better regulation – Bessere Regulierung» derart einlöst, stösst in Brüssel jedoch nicht nur auf Zustimmung.
Deutliche Kritik äussert beispielsweise Rebecca Harms, Fraktionschefin der Grünen im EU-Parlament und eine der prominentesten Umweltschützerinnen. Was gut töne – weniger Gesetze und weniger Bürokratie – sei gleichzeitig auch ein Schlag gegen die Umwelt- und Verbraucherschutzgesetzgebung.
So wurde beispielsweise ein Vorschlag gestrichen, wonach sich Brüssel um Umweltinspektoren kümmern sollte. Und im Juli zog Junckers Kommission einen Vorschlag zurück, womit der minimale Mutterschaftsurlaub von 14 auf 18 Wochen verlängert werden sollte.