Salvo Pappalardo leitet die Anlaufstelle der Caritas beim Bahnhof Catania auf Sizilien. Hier bekommen obdachlose Italiener und Flüchtlinge etwas zu essen, Kleider, ärztliche Versorgung. Ein Teil der Flüchtlinge, die hierher kommen, leben von der Prostitution, wie Pappalardo sagt. «Viele junge Frauen aus Nigeria oder Eritrea, auch junge minderjährige Männer prostituieren sich oder werden dazu gezwungen.»
Eigentlich müsste der Staat minderjährige, unbegleitete Flüchtlinge in speziellen Heimen unterbringen, sie schützen. Doch es fehle an Plätzen. Zudem würden Jugendliche oft ausreissen. «15 bis 20 Prozent der Jugendlichen machen sich aus dem Staub», schätzt Pappalardo. Wer zum Beispiel Eltern oder Verwandte in Deutschland habe, versuche sich nach Norden durchzuschlagen.
Prostitution oder Drogenhandel
Weil diese Jugendlichen meist kein Geld hätten, würden sie leicht Opfer von Kriminellen. «Es gibt Leute, die diese Jugendlichen genau beobachten. Wer diesen Leuten geeignet für Prostitution oder Drogenhandel erscheint, wird gezielt herausgepickt.» Die Caritas, sagt Pappalardo, versuche das zu verhindern und zeige Täter an. Doch es gehe um viel Geld, um mächtige Hintermänner. Die Caritas sei deswegen auch schon bedroht worden: «Sachschäden an unseren Gebäuden oder zerkratzte Autos unserer Mitarbeiter: Man gab uns zu verstehen, dass wir uns nicht einmischen sollen.»
Wer diesen Leuten geeignet für Prostitution oder Drogenhandel erscheint, wird gezielt herausgepickt.
Etwa zwei Autostunden von Catania entfernt, im Innern Siziliens, liegt das Städtlein Mazzarino. In einer alten Schule hat diese Gemeinde ein Heim für rund 20 minderjährige Flüchtlinge eingerichtet. Einer von ihnen ist Salah. Der junge Somalier erreichte Europa am 12. April 2015 als damals 15-Jähriger.
Die italienische Küstenwache hatte ihn gerettet und nach Agrigento gebracht. Dort aber wollte er nicht bleiben: «Ich bin abgehauen, denn Italien gefiel mir nicht, ich wollte weg», sagt er, der Verwandte in Deutschland hat. Was dann genau passierte, ist unklar. Schliesslich fand man Salah verwahrlost und verwirrt auf der Strasse. Er hatte Glück, man brachte ihn in dieses Heim.
Gemeinden beziehen Geld fürs Nichtstun
Einer von Salahs Kollegen wird gefeiert, denn eben wurde sein Asylgesuch angenommen. Sie singen das Geburtstagslied. Es geht zwar nicht um einen Geburtstag, aber dieses Lied ist das einzige, das alle 15 jungen Männer können.
Mara gehört zum Team, das die minderjährigen Flüchtlinge betreut. Jugendliche wie Salah gebe es viele, aber es gebe viel zu wenig Heime für sie. «Oft beziehen die Gemeinden zwar Geld für solche Heime, aber richten diese nicht ein.» Viele dieser Heime seien zudem schlecht geführt, böten den Jugendlichen wenig, oft nicht einmal Italienisch-Kurse.
Mazzarino gilt als gutes Heim. Die Stadt hat es eingerichtet, auch um Junge hierher zu holen, denn eigentlich zieht es die Jungen von hier weg. «Die jungen Italiener verlassen Mazzarino. Hier gibt es keine höheren Schulen, keine Arbeit. Auch ich war weg», sagt Mara. Erst diese Arbeit mit den jungen Flüchtlingen habe ihr die Rückkehr ermöglicht. «Ankunft, Abschied, Rückkehr. Das macht Sizilien aus», sagt Mara. «Wir haben eine grosse Geschichte der Migration.»